Wurde der Saar-Staat von einem Widerstandskämpfer regiert?

 

von Stefan Haas, Bodenheim, im Sommer 2015

 

"Wir wollen hier nicht urteilen über die verschiedenen möglichen Staatsformen, die Demokratie, die konstitutionelle Monarchie, das Königtum usw. Nur eines will eindeutig und klar herausgehoben werden: jeder einzelne Mensch hat einen Anspruch auf einen brauchbaren und gerechten Staat, der die Freiheit des (E)inzelnen als auch das Wohl der Gesamtheit sichert."

(Weiße Rose, III. Flugblatt)

 

Am 20.4.2015 wurden in St. Ingbert, Riegelsberg und Neunkirchen sog. Stolpersteine verlegt – „gegen das Vergessen“, so die wichtige, richtige und lobenswerte Intention des Initiators und „Künstlers“ Gunter Demnig. (Worin da der künstlerische Aspekt liegt, das weiß ich nicht.) In St. Ingbert wurde ein solcher Stolperstein medienwirksam für Johannes Hoffmann verlegt. Wer das initiiert hat – egal. Sehr untypisch für dieses Projekt wie ich finde, - war Johannes Hoffmann doch kein Opfer des Nationalsozialismus in dem Sinne, wie es auf allen anderen Stolpersteinen von Menschen steht, über die ich bislang „gestolpert“ bin und die ich zur Würde der betroffenen und betreffenden Menschen gereichend mit Interesse gelesen und oftmals fotografiert habe. Ich wurde also stutzig, habe lange nachgedacht und mit Freunden Gespräche geführt darüber -  und aus welchen Gründen ich diese Aktion der verzerrten Tatsachen für Blödsinn halte folglich hier niedergeschrieben:

 

I.)

Laut „Künstler“ wird ein Stolperstein in den Bürgersteig eingelassen vor dem Haus in dem die jeweilige Person ihren letzten frei gewählten Wohnsitz hatte. War das Haus in St. Ingbert der letzte frei gewählte Wohnsitz Hoffmanns? Nein, hier lebte er bis 1935. Er hatte nach seiner Rückkehr ins Saarland zehn Jahre später noch weitere frei gewählte Wohnsitze vor seinem Tod im Jahre 1967.

 

II.)

Ein anderer Umstand, bzw. Begriff auf diesem Stolperstein irritierte mich noch mehr: „WIDERSTAND“. War Johannes Hoffmann im Widerstand? In den sechs bis acht Wochen, die Johannes Hoffmann physisch im „Deutschen Reich“ verbrachte, hatte er sich nicht mit Widerstand gegen den Nationalsozialismus beschäftigt. Sondern er hatte seine Emigration vorbereitet. Folglich ist er nicht in der Tradition von Widerstand etwa im Sinne Willi Grafs und der Weißen Rose, Stauffenberg, Elser, Goerdeler, von Galen uva. zu sehen und zu verstehen.  Ohne des Katholiken Hoffmanns Haltung und aufrichtiges Ansinnen in diesem Punkt schmälern zu wollen: Er hat lediglich zu einer Zeit, in der das Land an der Saar gar nicht zum „Deutschen Reich“ gehörte, als Journalist gegen Hitler und für den Status quo agitiert. Und als es dann ernst und eng für ihn wurde, hat er zum legitimen Schutz seiner Familie und seiner selbst das Land zügig und rechtzeitig verlassen ohne bedroht worden zu sein. Von Widerstand und bedingungslos konsequentem Eintreten für diesen Widerstand kann aus meiner Sicht keine Rede sein. Ich gehe sogar so weit zu behaupten, dass es die aktiven Widerstandsbemühungen der zahlreichen bekannten und passiv Widerstand leistenden unbekannten Menschen IM und WÄHREND des „Deutschen Reiches“ schmälert, würde man Johannes Hoffmann auf die gleiche moralische Stufe der Würdigung und des Gedenkens wie sie stellen.

 

III.)

In diesem Sinne ganz unerträglich finde ich also die Tatsache, dass der Journalist Hoffmann an diesem 20.4.2015 posthum als Opfer im Sinne der Stolperstein-Aktion in den Medien stilisiert wurde (wohlwissentlich all seiner Entbehrungen, Mühen, Strapazen und gesundheitlichen Leiden im Zuge von Emigration und Flucht.) Denn als problematisch in diesem Zusammenhang, wenn nicht gar geschichtsklitternd, ist Hoffmanns Auftreten und Wirken nach der Zeit des Nationalsozialismus zu sehen. Diese Umstände werden nämlich ganz ausgeblendet und unterschlagen: Wie wir alle wissen, muss er sich nachsagen lassen, selbst kein großer Freund von Demokratie und  Opposition, von Rechtsstaatlichkeit und Meinungsfreiheit gewesen zu sein, was er und sein Macht / -Polizeiapparat auch diejenigen Menschen spüren ließ, die nicht seiner gleichen Meinung im politisch-frankophilen Sinn waren. Nostalgisch rückblickend Hoffmann als gut gemeinten Visionär zu verklären und als Realpolitiker zu loben ist einerlei – als Politiker verschreibt man sich aber immer der Macht, deren Erstrebung und besonders deren Erhalt.

Während also am 20.4.2015 „wahre“ Opfer des NS, unverschuldet in diese Rolle gedrängt von einer menschenverachtenden Ideologie in Neunkirchen und Riegelsberg durch einen kleine Geste, einen kleinen Stein wieder ins Bewusstsein der Menschen rückten, mit dem Ziel nie mehr vergessen zu werden – ohne dass darüber sie berichtet wird, – wurde in St. Ingbert medienwirksam wissenschaftlicher und populistischer Müll fabriziert.

Letztendlich würde es mich aber auch gar nicht wundern, wenn alles nur ein Missverständnis war; Und der „Künstler“ ging in historischer Unkenntnis davon aus, Hoffmann sei wirklich ein Opfer gewesen, sprich, er sei aufgrund seiner im  religiösen und politischen Überzeugungen sowie seiner Flucht wirklich ums Leben gekommen. Aber wahrscheinlich wird es so gewesen sein, wie es immer ist: Finanzielle Reize lassen historische Wirklichkeit nebensächlich werden. Sprich: Der „Künstler“ bekam vom Initiator / Paten dieses Steins die meiner Meinung nach unkorrekten Informationen, hat sie in den Stein gekloppt, den Stein verlegt, Foto für Zeitung, als Gutmensch hingestellt – und seinen Reibach damit gemacht (120 Euro).


Ein Land im Experiment.        Oder:                                   Der Weg, der nach Europa führen sollte.

Johannes Gutenberg Universität Mainz                                           

Wintersemester 2005 / 06

 

Historisches Seminar

Abt. VII. Zeitgeschichte

 

Hauptseminar:

Die Entstehung des Landes Rheinland-Pfalz

 

Dozent: Prof. Dr. Michael Kißener

 

Datum: 26. Februar 2007

 

 

 

 

 

Ein Land im Experiment.

Oder:

Der Weg, der nach Europa führen sollte.

-

Europäisierungsbestrebungen im Zeichen der Saarfrage

in den frühen 1950-er Jahren.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Stefan Haas                                                                                   Matrikel – Nr.: 2601632

Hummelweg 5                                                                          9. Fachsemester

55113 Mainz                                                                    Geschichte / Germanistik LA.

Inhaltsverzeichnis

 

 

I.                  Einleitung………………………………………………….S. 1

 

II.               Ein Land im Experiment: Oder: Der Weg, der nach Europa führen sollte. Europäisierungsbestrebungen

im Zeichen der Saarfrage in den

frühen fünfziger Jahren…………………………...…..…...S. 2

 

1.)    Europaidee und Europabewegung……………………………S. 2

 

2.)    Die Saarfrage…………………………………………………S. 5

 

3.)    Das Europäisierungsprojekt im Zeichen

des Schumanplans………………………………………...….S. 6

 

                   3.1.) Exkurs: Montanhauptstadt Saarbrücken?.........................................S. 7

 

                   3.2.) Die weitere innenpolitische Entwicklung und das

                                   Scheitern des Europaprojekts………………………………………S. 8

 

4.)    Der Columbia-District Plan…………………………………..S. 9

 

5.)    Der Goes van Naters Plan…………………………………..S. 10

 

6.)    Das Europäische Saarstatut…………………………………S. 14

 

7.)    Zusammenfassung…………………………………………..S. 18

 

III.           Ausblick und Schluss…………………………………….S. 19

 

IV.           Quellen- und Literaturverzeichnis……………………….S. 21

 

a.)  Quellenverzeichnis…………………………………………....S. 21

 

b.) Literaturverzeichnis………………………………………...…S. 22

I.   Einleitung

 

„Meine Damen und Herren,

um jene großen Europäer, denen das Saarland ein Denkmal errichtet hat, auf die rechte Weise zu ehren und ihre Ziele zu verstehen, denken wir hier Versammelten – und wäre es nur für zehn Minuten – über Europa nach, über den Geist, der es schuf.“[1]

Gemäß diesen Worten des Schriftstellers Stefan Andres soll in dieser Hausarbeit ein Aspekt saarländischer Geschichte analysiert werden. Nennt Andres in seiner Rede die Schlacht von Marathon, den Sieg der jungen griechischen Demokratie über die persische Despotie, als Ausgangspunkt eines solchen „supranationalen“ Denkens, und sieht eine erste Datierung des „Europa“-Begriffs bei Karl dem Großen[2], so sollen auch hier im Folgenden wichtige Stationen der Europaidee und deren Bestreben nach Verwirklichung im Mittelpunkt stehen.

Das Ziel dieser Hausarbeit ist es dann, die wichtigsten Überlegungen zu einer Lösung der Saarfrage unter dem Mantel Europas, d.h. die Pläne einer Europäisierung der Saar in den frühen fünfziger Jahren zu nennen, zu erläutern und in einen größeren politischen Kontext, besonders in das damalige Verhältnis zwischen Frankreich und Deutschland, zu stellen. Gemeint ist die Saarfrage, die seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges bis zu ihrer Lösung 1957 die deutsche, französische und saarländische Politik in Atem gehalten hat. Wie sahen diese politischen Überlegungen konkret aus?

Vier große Bestrebungen, die Saarfrage auf dem Weg der Europäisierung zu lösen, sind zu nennen und die Wechselwirkungen französischer, saarländischer und deutscher Politik aufzuzeigen, was jedoch im Rahmen dieser Arbeit ohne Anspruch auf Vollständigkeit bleiben muss, da alleine die Darstellung der Meinung der Regierenden schon den Rahmen derselben sprengen würde, ohne nur ein Wort zur Haltung der jeweiligen Opposition zu verlieren.[3] Zunächst gilt es, sich das Europäisierungsprojekt im Zuge des Schumann-Plans zu vergegenwärtigen. Zeitlich folgt dann, eher als eine Randüberlegung, aber dennoch wichtig zu nennen, der Columbia-District Plan, der Goes van Naters Plan und abschließend das Saarstatut von 1954.

Die Literatur zur Europäisierung der Saar ist nicht einheitlich, denn Daten, Fakten und Hintergründe sind nur der Saar-Literatur zu entnehmen, die im Literaturverzeichnis angegeben ist.[4] Die Vielschichtigkeit der Geschichte der Saar hat bis heute nur ein einziges Standardwerk[5] hervorgebracht, das zeitnah zum Thema der Arbeit heraus kam, und somit eine wertvolle Hilfe bot.

 

II.  Ein Land im Experiment. Oder: Der Weg, der nach Europa führen sollte. Europäisierungsbestrebungen im Zeichen der Saarfrage in den frühen fünfziger Jahren

 

1.) Europaidee und Europabewegung

 

Der Begriff Europa ist heutzutage in aller Munde; man spricht von der Europäisierung der Politik, des Rechts, der Bildung und vor allem, im Zuge der Globalisierung, von der Europäisierung der Wirtschaft.[6]

Das Denken in diesen europäischen Zügen und ein Europabewusstsein ist keine Idee, die der heutigen Zeit entspringt, vielmehr ist sie einem neuzeitlichen Prozess unterworfen, der mit dem beginnenden nationalstaatlichen Denken im ausgehenden Mittelalter seinen Anfang nahm. Wichtige Stationen der „uralten Europaidee“[7] bis zum Europäisierungsgedanken an der Saar sollen hier im Folgenden aufgezeigt werden:

Forderte schon Dante im 14. Jahrhundert in einem Europapapier vergeblich die Unterwerfung der europäischen Monarchen unter den Kaiser, so war es dann Napoléon zu Beginn des 19. Jahrhunderts vorbehalten, wenn auch lediglich nur für eine kurze Zeit, eine Art Kontinentaleuropa zu schaffen. 1815 befassten sich Metternich und der Wiener Kongress auf reaktionäre Art und Weise mit Europa. Doch immer war Gewalt zur erfolgreichen Durchsetzung dieser Europainteressen erforderlich und nie von langer Dauer.[8]

1923 beschrieb Richard Coudenhove-Kalergie, der österreichische Politiker und Begründer der Paneuropabewegung, in seiner gleichnamigen Zeitschrift, ein Europa von Polen bis Portugal: „die Vereinigten Staaten von Europa“.[9] Nach diesen Pionierarbeiten ist das „Heidelberger Programm“ der SPD von 1925 zu nennen: Die Sozialdemokraten traten für die aus wirtschaftlichen Ursachen zwingend gewordene Schaffung der europäischen Wirtschaftseinheit und für die Bildung der Vereinigten Staaten von Europa ein.

In der Folgezeit engagierten sich immer mehr Parlamentarier im Sinne „Paneuropas“ auch in Zusammenarbeit mit dem Völkerbund. Hier spielte natürlich die Sorge eine Rolle, Deutschland könne den Versailler Vertrag aushebeln und erneut das Bestreben zeigen, europäische Großmacht zu werden. Im September 1929 legte Aristide Briand als französischer Außenminister dem Völkerbund in Genf einen Plan für die Vereinigten Staaten von Europa im Sinne einer Zoll- und Wirtschaftsunion vor. Er erklärte, dass „er der Überzeugung sei, dass unter den Völkern (…) eine Art Bundesgemeinschaft existieren sollte. Diese Völker sollten stets in der Lage sein, miteinander in Verbindung zu treten, um ihre gemeinsamen Interessen zu vertreten.“[10] Im Mai des folgenden Jahres legte Briand dann dem Völkerbund ein Memorandum über die Organisation eines Systems eines europäischen Staatenbunds vor. Es sah eine Institutionalisierung der europäischen Kooperation sowie eine neue europäische Sicherheitskonzeption vor.

Sieht man hier schon Parallelen zur europäischen Politik der jüngeren Vergangenheit, so scheiterten doch diese Pläne nicht zuletzt an der Weltwirtschaftskrise 1929, nationalen Egoismus und der Machtübernahme Hitlers 1933. Paneuropa wurde zur unerwünschten Organisation, der Beginn des Zweiten Weltkriegs stellte das Ende aller europäischer Integrationsbemühungen dar.

Jener Weltkrieg veränderte das Bild Europas nachhaltig. Hier setzt nun die wichtigste aufzuzeigende Entwicklung innerhalb europäischer Staaten ein: Die Erfahrungen zweier Weltkriege hatten das nationalstaatliche Denken in Frage gestellt. Bereits in den ersten Nachkriegsjahren bildeten sich in fast allen europäischen Ländern Gruppierungen heraus, die wieder auf einen supranationalen Zusammenschluss der europäischen Völker hinarbeiteten.

Churchill griff am 5. März 1946 in Fulton (Missouri / USA) den Begriff „Eiserner Vorhang“[11] auf, um vor der Sowjetregierung zu warnen. Er empfahl eine „neue Einheit in Europa, von der keine Nation auf Dauer ausgeschlossen werden solle.“[12] Und wiederum ist es Churchill, der noch im selben Jahr in seiner berühmten Rede an der Universität in Zürich im September 1946 mit der großen Autorität seiner Person die Schaffung einer Art „Vereinigte Staaten von Europa“[13] forderte. So eröffnete sich die Möglichkeit, die bislang eher idealistischen Ideen der Europabewegung in erreichbare Ziele der realen Politik umzuwandeln.

Auch an der Saar waren nach dem Krieg verschiedene supranationale europäische Vereinigungen entstanden: Im März 1949 wurden in Saarbrücken die „Nouvelles Équipes Internationales“ und die „Europa-Union-Saar“ gegründet. Die schon bereits 1948 gegründete, saarländische, überparteiliche Bewegung galt als bekannteste Verfechterin einer europäisierten Saar. Deren damals sehr präsente Fahne, von Churchills Sohn Duncan Sandys entworfen, zeigte ein weißes E auf grüner Fläche, womit Hoffnung und friedliche Absichten der Europabewegung demonstriert werden sollten. Spötter wollten allerdings Churchills weiße Unterhose auf einer grünen Wiese erkennen.[14]

Die Aktivitäten der Europa-Union banden sich in die mannigfachen Europa-Initiativen jener Nachkriegsjahre ein, doch sollten sie einen nicht einfachen Weg beschreiten, wie die oben genannte Anekdote andeutet.

 

2.) Die Saarfrage

 

„Ohne ihren Willen und ohne ihr Zutun wurde die Saar zum zweiten Male innerhalb einer Generation zur politischen Drehscheibe Europas, eines Europas, das vielfach geteilt war in Sieger und Besiegte, in Besatzer und Besetzte, in Demokratien und Diktaturen. Fürwahr alles andere als das, was gemeinsame Wohlfahrt, Rückkehr zur Vernunft und Frieden versprachen.“[15]

Mit diesen Worten Wills lassen sich treffend die damaligen politischen Umstände auf den Punkt bringen. Das Saarland stand im Mittelpunkt dieser Gegebenheiten, wie im Folgenden aufgezeigt werden soll.

Die französische Deutschlandpolitik[16] gegenüber dem besiegten Deutschland war radikaler und durchdachter als nach dem Ende des Ersten Weltkrieges. Wieder ging es den Franzosen um eine dauerhafte Schwächung des westlichen Nachbarn zugunsten der eigenen Sicherheit, doch wieder stieß das Konzept, ähnlich wie 1919, auf den Widerstand der Alliierten. Zum einen wollte man den europäischen Frieden nicht auf einer Hegemonie Frankreichs gegründet sehen, zum anderen wurde das Deutschland-Problem bald von der Auseinandersetzung zwischen Ost und West überlagert: Für eine einseitige Schwächung Deutschlands zugunsten Frankreichs war kein Platz mehr; die Bedrohung der freien demokratischen Welt wurde immer offensichtlicher und das westliche Deutschland stellte für die USA einen Verbündeten dar, den es aufzubauen galt.

Hinsichtlich der Saar schien Frankreich aber seine Ziele verwirklichen zu können, auch wenn eine Annexion für die Alliierten nicht in Frage kam. Mit der getroffenen Lösung eines halbautonomen, wirtschaftlich von Frankreich abhängigen Saarstaates – also der Separation – waren vordergründig alle einverstanden, da es von saarländischer Seite eine große Kooperationsbereitschaft gab. Doch dieser Schein eines Saarstaates von Frankreichs Gnaden und der Unterstützung aller trug: „(Die Bundesrepublik Deutschland) bestritt (…) die Legitimität der saarländischen Verfassung und widersprach damit zugleich der Gründung eines autonomen Saarstaates, der von der saarländischen Bevölkerung weder gewollt noch unter der Wahrung völkerrechtlicher Prinzipien geschaffen worden ist. Denn er verzichtet auf die Beachtung der Demokratischen Freiheiten und verbot alles, was auf die Veränderung des gegenwärtigen Zustands abzielte.“[17] Und tatsächlich lebten die Saarländer in den frühen fünfziger Jahren in einem Polizeistaat: Die Presse wurde zensiert, Opposition war unerwünscht und pro-deutsche Parteien verboten.

Die Fronten zwischen der Bundesrepublik und Frankreich waren verhärtet: Die Bundesrepublik hatte den Anspruch auf eine baldige Wiedervereinigung mit der Ostzone und konnte sich somit nicht die Blöße geben, die Saar im Westen fallen zu lassen. Doch Frankreich konnte aus Prestigegründen, nach zahlreichen Zugeständnissen an die amerikanischen Deutschlandvorstellungen, nicht von der Saar abrücken. Es wäre einer nationalen Demütigung gleichgekommen.[18]

 

3.) Das Europäisierungsprojekt im Zeichen des Schuman-Plans

 

Für Frankreich bot sich nun eine Möglichkeit an, den unvermeidlichen Rückzug von der Saar so zu gestalten, dass die französische Politik ihr Gesicht wahren konnte, denn fünf Jahre nach Kriegsende war die französische Deutschlandpolitik im Grunde gescheitert, da das Ziel, die Sicherheit vor Deutschland durch seine politische und wirtschaftliche Schwächung zu gewährleisten, nicht erreicht worden war.

 Die Aufgabe der französischen Saarpolitik zugunsten einer deutsch-französischen Verständigung, ohne dass die französische Politik ihr Gesicht verliere,  führte auf eine Europäisierung der Saar zu, die auch auf der Linie der saarländischen Autonomisten um Johannes Hoffmann[19] und Richard Kirn[20] lag und somit auch die wohlwollende Zustimmung der Saarländer finden sollte. Diese möglichst breite Zustimmung sollte auch die Bundesrepublik von dieser Lösung überzeugen, zumal Adenauer selbst „wiederholt den europäischen Weg zur Lösung der Saarfrage ins Gespräch brachte. Die deutsch-französischen Annäherung im Zeichen der Westintegration dürfe durch die Auseinandersetzung um die Saar nicht gefährdet werden.“[21] Somit verständigten sich Adenauer, Schumann und Hoffmann im März 1952 auf das Prinzip einer Lösung der Saarfrage durch Europäisierung.

Das Saarland sollte demnach seine internen Angelegenheiten völlig autonom regeln können. Seine Wirtschaftskraft sollte dem gesamten Vereinten Europa zukommen, die außenpolitische Vertretung sollte in der Verantwortung des Europarats oder besser noch bei der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) liegen. Und Saarbrücken sollte Sitz der europäischen Behörden werden.[22]

 

3. 1.) Exkurs: Montanhauptstadt Saarbrücken?

 

Mit dem Schuman-Plan vom 9. Mai 1950 wurden die grundlegenden Gedanken für die Zusammenlegung der deutschen und französischen Kohle- und Stahlproduktion bekannt gegeben. Durch die EGKS oder auch Montanunion genannt, kam der europäische Einigungsprozess in Schwung. Der gemeinsame Markt für Kohle und Stahl war der erste bedeutende und konkrete Schritt im Hinblick auf einen supranationalen Zusammenschluss. Adenauer stimmte dem französischen Vorschlag vorbehaltlos zu. Zum einen aus innerer Überzeugung, da er in der Integration Westeuropas den einzig richtigen Weg zur Stärkung des Westens insgesamt sah – was wiederum Voraussetzung für eine erfolgreiche Politik der Stärke gegenüber der Sowjetunion war, zum anderen sah er nur in der Integration den Weg zum Abbau des französischen Misstrauens gegenüber Deutschland.

Das Saarland sollte nunmehr als siebtes Land neben den Benelux-Staaten, Frankreich, Deutschland und Italien in die Montanunion aufgenommen werden.

Die Vorstellung, Saarbrücken könne womöglich Hauptstadt der neuen Montanunion werden, bewegte vor allem die Befürworter dieser neuen Entwicklung an der Saar und ist wohl nicht ohne Grund von französischer Seite ins Leben gerufen worden. Die Chancen einer Bewerbung standen somit nicht schlecht. Vieles sprach für die saarländische Hauptstadt, die sich gegen Brüssel, Lüttich, Turin und Straßburg durchsetzen musste.[23]

Die Saarregierung hat all das, was sie technisch, institutionell und strukturell für den betreffenden Zweck zur Verfügung hatte, publizistisch äußert wirkungsvoll in einem viersprachig verfassten Ringbuch sowie in Broschüren und dergleichen propagiert.[24]

 

 

3.2.) Die weitere innenpolitische Entwicklung und das Scheitern des Europaprojekts

 

Führende Politiker der saarländischen Regierungsparteien SPS und CVP, die Befürworter eines autonomen Saarstaates und einer Wirtschaftsunion mit Frankreich waren, schrieben dem Saarland ziemlich pathetisch eine Brückenfunktion zwischen den ehemals verfeindeten Nationen Deutschland und Frankreich zu. Man fühlte sich stolz bei dem Argument, dass dem „kleinen Saarland“ eine große Rolle im europäischen Einigungsprozess zukommen konnte.[25]

Bereits auf dem Delegiertentag der CVP am 30. Juni 1946 sagte Johannes Hoffmann: „Und wir wollen (…) auch einen Beitrag leisten zum Neuaufbau Europas, zur Schaffung der Vereinigten Staaten von Europa durch Zusammenschluss aller christlichen Kräfte. Sag keiner, wenn wir uns eine solche Rolle anmaßen, seien wir größenwahnsinnig. Der Herrgott hat sich schon mehr als einmal sehr kleiner Menschen und sehr kleiner Verhältnisse bedient, um das Große zur Tat werden zu lassen.“[26]

Die saarländische Bevölkerung musste ihre Sympathie zu diesem Weg erkennen lassen, die Befürworter der europäischen Lösung wurden bei der Landtagswahl am 30. Januar 1952 mehrheitlich gewählt, denn die Gegner, also die pro-deutschen Parteien wie Saar-CDU, DPS und DSP waren schlichtweg verboten oder noch nicht zugelassen.[27] Gegen mögliche Rückgliederungsbestrebungen und deren parteiliche Verfechter wurde ein Gesetz erlassen, das ein Bekenntnis zur Autonomie forderte, und die Anerkennung von Parteien von deren Einstellung zu Europa abhängig machte.[28]

Aus der Sicht der Regierenden an der Saar war der Weg nach Europa frei, doch die Verhandlungen über das Europäisierungsprojekt, die Schuman und Adenauer vereinbarten, erwiesen sich aber als äußerst schwierig.

Letztendlich scheiterten sie an den Fragen der  künftigen wirtschaftlichen Orientierung der Saar und an der Zulassung oppositioneller Parteien, denn der französische Außenminister sowie der deutsche Bundeskanzler gerieten immer mehr unter den Druck von Kompromissgegnern, die sich die Bälle gegenseitig zuspielten: Folglich musste Schuman auf weitgehende Sicherung des französischen Besitzstandes drängen, Adenauer dagegen auf rasche und grundlegende Veränderung an der Saar, insbesondere auf Zulassung pro-deutscher Parteien. Ende Oktober 1952 liefen sich die Verhandlungen an der Frage des wirtschaftlichen Statuts einer europäisierten Saar fest: „Schuman sah sich nicht in der Lage, mehr zuzugestehen als eine Weiterentwicklung der bestehenden saarländisch-französischen Wirtschaftsunion im Rahmen des Fortschreitens der europäischen Integration; Adenauer konnte dagegen nicht umhin, die Aufnahme von präzisen Verhandlungen über die Umgestaltung des wirtschaftlichen Statuts zu verlangen.“ [29]

 

4.) Der Columbia-District Plan

 

Die Wirkung dieses Planes ist sehr gut anhand der Literatur nachzuvollziehen, denn es gibt keine darüber. Nur im zeitnahen Werk Schmidts ist der Plan angeführt, selbst das Internet gibt über diesen Europäisierungsplan keine Auskunft. An dieser Stelle aber soll er, der Vollständigkeit halber, seinen Platz finden.

Der Vorschlag, die Saar und die angestrebte Montan-Hauptstadt Saarbrücken nach dem Muster des „Columbia-Districts“ in den USA zu europäisieren, kam zu Beginn des Jahres 1952 im Rahmen der Europäisierungsvorschläge von den regierenden saarländischen Parteien auf. Da dieses amerikanische Modell im Zuge der Europäisierungsbestrebungen als Leitbild genannt wird, soll eine kurze Charakterisierung desselben folgen:

Der District of Columbia ist kein Bundesstaat der USA. Samt der in ihm liegenden Bundeshauptstadt Washington ist er bundesunmittelbar und wird von drei Kommissionären verwaltet.[30]

Die Realisierung dieses Planes, das Saargebiet nach Art des District of Columbias europa-bundesunmittelbar zu machen, war damals durchaus gegeben und hätte bedeutet, dass das Saargebiet direkt den europäischen Bundesbehörden unterstand und nur eine lokale, innere Verwaltung bekommen hätte. Es war u. a. vorgesehen, im Unterschied zum Modell, der Saarbevölkerung die Wahl der internen Verwaltungsbehörden zu überlassen. Die weitere Entwicklung wurde im vorangegangenen Kapitel aufgezeigt: Saarbrücken sollte, in diesem Distrikt liegend, wie Washington für die USA, eine Hauptstadt besonderer Prägung sein, zunächst einmal der Montanunion.

 

5.) Der Goes van Naters-Plan[31]

 

Natürlich gab es von allen politischen Gruppierungen Vorschläge[32] zur Lösung der Saarfrage. Vorschläge kamen von den saarländischen Regierungsparteien und der verbotenen Opposition[33], doch auch die Saar-Ausschüsse der Bundestagsfraktionen erarbeiteten Vorschläge, die jedoch im einzelnen nicht zu erläutern sind, da sie nie, auch nur ansatzweise, zur Verwirklichung kamen.

Vielmehr soll das Augenmerk weiter auf den „europäischen“ Lösungsvorschlägen ruhen. Hier ist nun der Goes van Naters-Plan zu nennen.[34]

Seit die Idee der Europäisierung der Saar in der Debatte über die Lösung der Saarfrage eine Rolle spielte, war immer wieder die Feststellung getroffen worden, dass eine solche Europäisierung nur dann in Frage kommen könnte, wenn sie auf dem Fundament einer europäischen Föderation, also auf der Basis der Vereinigung der bisherigen europäischen Nationalstaaten in supranationaler Weise mit supranationaler Autorität erfolge.[35] Die Montanunion und eine europäische Verteidigungsgemeinschaft (EVG)[36] waren als erste Säulen gedacht, auf denen das Europäische Dach in Gestalt einer Europäischen Politischen Gemeinschaft (EPG)[37] errichtet werden sollte.

Zeitlicher Ausgangpunkt für die Überlegungen zum Naters[38]-Plan waren die Landtagswahlen vom 30. Januar 1952. Wie schon erwähnt, waren die pro-deutschen Parteien nicht zugelassen, da sie ein Bekenntnis zur Autonomie verweigerten. Deren Aufruf an die Wähler, mit der Abgabe weißer Stimmzettel auf sich aufmerksam zu machen, erreichte nicht das gewünschte Ausmaß. Bei einer Wahlbeteiligung von 93,1 % waren lediglich 24,5  % der abgegebenen Stimmen ungültig. Die CVP konnte mit 54,7 % der abgegebenen Stimmen die Mehrheit erreichen, was vor allem mit den unbestreitbaren Erfolgen der vorangegangenen Kabinetten Hoffmann zu erklären ist (fast völlige Beseitigung der Arbeitslosigkeit, relativ hoher Lebensstandart und hohe Sozialleistungen).[39]

In Folge fanden wieder Verhandlungen zwischen Frankreich und der neu gewählten Regierung statt, alte (Saar-) Konventionen wurden modifiziert und neue unterzeichnet: Der Saarregierung wurde mehr Autonomie eingeräumt, ohne jedoch die engen wirtschaftlichen Bindungen zu Frankreich zu lockern. Der deutsche Bundestag forderte daraufhin in einer Resolution vom 2. Juli 1953 erneut das Selbstbestimmungsrecht für das Saargebiet.

Während dieses Spannungsverhältnisses ergriff die Beratende Versammlung des Europarates die Initiative.[40] Könnte eine unparteiische Initiative einen Ausweg finden? Der niederländische Sozialist Marius van der Goes van Naters war davon überzeugt und legte in ihrem Auftrag im September 1953 einen Plan zur Europäisierung der Saar vor, der in den nächsten Wochen weiterentwickelt wurde und auch im Wesentlichen die Zustimmung der Saarregierung fand.

„… im Bewusstsein der Schwere des Saarproblems, das die französisch-deutschen Beziehungen ernsthaft zu gefährden droht und selbst die Bildung der Europäischen Gemeinschaft in Frage stellt, wenn es nicht bald abgelöst wird, in dem Bemühen, ihre Aufgabe in einem wahrhaft europäischen Geist zu erfüllen…“ [41] wurde ein Plan gefasst, dessen Inhalt im Folgenden zusammengefasst wiedergegeben werden soll; Eingeleitet wird der Plan sehr pathetisch mit folgenden Floskeln, die es ablehnen, historische Erfahrungen auf die Gegenwart anzuwenden: „Deutschland und Frankreich müssen die Vergangenheit aus dem Spiel lassen, um gemeinsam eine neue Zukunft aufzubauen.“ Sowie: „Wir müssen den Mut aufbringen, heute nur noch die Gegenwart und die Zukunft zählen zu lassen.“ [42]

Die Saar sollte nach der Gründung der Europäischen Politischen Gemeinschaft (EPG) europäisches Territorium werden und supranationalen Status erhalten. Dieser sollte dann von einer europäischen Konferenz beschlossen werden, an der neben den Mitgliedsstaaten des Europarates auch die USA und die Hohe Behörde der Montanunion teilnehmen würden. Ein vom Ministerausschuss des Europarats ernannter Kommissar, der keiner der beteiligten Parteien angehören dürfe, sollte dann die Interessen der Saar auf den Gebieten des Auswärtigen und der Verteidigung vertreten. Weiter war für das Saargebiet die Einführung demokratischer Freiheiten sowie die daraus resultierende Einsetzung einer frei gewählten Regierung mit Exekutivgewalt vorgesehen. Bis zur abschließenden Regelung in einem Friedensvertrag sollte das europäische Statut des Saargebietes unabänderlich sein. Die USA, Frankreich und Großbritannien sollten dies garantieren und das europäische Statut dann in einem Friedensvertrag für endgültig erklären.[43] Die wirtschaftlichen Vorschläge sind insofern zusammenzufassen, als dass auch hier von Saarbrücken als Hauptstadt der Montanunion gesprochen werden kann.[44] Die Bundesrepublik Deutschland hatte diese Regelungen nur zur Kenntnis zu nehmen und ihnen zuzustimmen. Aus dem Naters-Plan schlussfolgerte für Deutschland also der endgültige Verzicht auf das Saargebiet.

Aufgrund der Fülle der in ihm niedergelegten Vorschläge barg der Naters-Plan Ansatz zu mannigfacher Kritik. Wenn auch die Autonomiebefürworter an der Saar triumphierten (lediglich der einzuführende Europäische Kommissar als eine Art fremder Nebenregierung und die einzuführenden Freiheitsrechte in Bezug auf die unterdrückte Opposition gefielen hier nicht), so erkannten sowohl Bonn, die oppositionellen, verbotenen Parteien an der Saar[45] als auch Paris in dem vorgeschlagenen Saarstatut genügend Mängel, um unmittelbar Gespräche aufzunehmen.[46] Beide Parteien wollten sich nicht durch Dritte in eine Situation bringen lassen, in der ihnen Lösungen aufgezwungen wurden.

Doch konnte Frankreich noch am Besten mit den Vorschlägen Naters umgehen: Grundsätzlich bestätigten sie die französische Politik, denn die Saar sollte europäisches Territorium werden, die Wirtschaftsunion sollte beibehalten werden und gleichzeitig war an eine dauerhafte Trennung der Saar von Deutschland gedacht. Vorbehalte gab es nur gegen die Ausweitung des Handels des Saargebietes mit der Bundesrepublik und gegen den Verlust des Warndts als Kohlerevier. Im Grunde unterschied sich dieser Vertrag von den französischen Europäisierungsplänen nur dadurch, dass anstelle der Protektoratsmacht Frankreich ein europäischer Kommissar im Auftrage des Europarates die außenpolitische Vertretung des Saarlandes übernehmen sollte.

Doch am meisten verlangte der Plan von Bonn.[47] Die wirtschaftlichen Zugeständnisse gingen hier nicht weit genug. Den Plan als dauerhafte Regelung musste die BRD aufgrund verfassungsrechtlicher Bedenken ablehnen, wenn auch das Auswärtige Amt und somit Adenauer dem Plan weniger negativ gegenüber standen. Viele kleine positive Veränderungen wurden begrüßt, dafür aber auch der exorbitante Nachteil des möglicherweise endgültigen Verzichts auf das Saargebiet in Kauf genommen, sowie die Aufrechterhaltung der wirtschaftlichen Zugeständnisse bzw. die Wirtschaftsverflechtung zwischen Frankreich und dem Saargebiet.[48]

Man kann viel über diesen Plan und vor allem über die ihn umgebenden politischen Gegebenheiten schreiben, was jedoch letzten Endes obsolet vor der Tatsache erscheinen muss, dass selbiger sang- und klanglos scheiterte. Vermutlich wurde deshalb auch das Scheitern des Naters-Plans in der Literatur bis heute in nur wenigen Worten abgehandelt.

Festzuhalten ist, dass durch das Scheitern der EVG-Verhandlungen durch die französische Nationalversammlung[49] weiteren EPG-Gesprächen die Grundlage entzogen war. Von daher musste auch dem eben beschriebenen Lösungsversuch der Erfolg versagt bleiben. „So entfiel auch die Möglichkeit, auf diesem Weg aus der Sackgasse der Saarfrage herauszukommen und den auf Dauer unerträglichen Schwebezustand zu beseitigen.“[50]

 

6.) Das Europäische Saarstatut

 

Nach mehreren Versuchen der Europäisierung der Saar drohte nun das Vorhaben im politischen Gewirr der deutsch-saarländisch-französischen Beziehungen zu versanden. Die Saarfrage blieb ein Hindernis für die Verständigung zwischen Deutschland und Frankreich.

Zu einem Durchbruch in den Verhandlungen kam es dann langsam aber sicher, nachdem das Scheitern der EVG im August 1954 den deutschen wie den französischen Politikern die Gefahr eines Auseinanderfalls der westlichen Staatengemeinschaft vor Augen geführt hatte. Dies wollte niemand, und so nahm auf beiden Seiten die Bereitschaft zu, sich in der mittlerweile leidigen Saarfrage auf einen Kompromiss einzulassen.

Dabei war die Regierung Frankreichs zunächst in einer besseren Position: Denn der damalige französische Ministerpräsident Mendès-France konnte geltend machen, dass die französische Nationalversammlung einer Aufnahme der Bundesrepublik in die NATO zustimmen würde, wenn zugleich eine Saarregelung erreicht werden würde, die aus französischer Sicht zufrieden stellend war. Die Regelung diktieren konnte sie aber darum noch nicht: Nachdem die französische Seite schon das Scheitern der EVG zu verantworten hatte, konnte sie es sich nicht mehr leisten, auch noch die Ersatzlösung einer NATO-Integration der Bundesrepublik scheitern zu lassen, zumindest nicht an Detailfragen eines so nachgeordneten Problems wie der Saar.

Zunächst soll aber insofern weiter ausgeholt werden, als eine Betrachtung der Pariser Verträge vom 23. Oktober 1954 unumgänglich ist.

In jenen Verträgen, die das Besatzungsstatut von Westdeutschland aufhoben und Westdeutschland die Souveränität verliehen, erklärten die Westmächte, dass sie die Bundesregierung grundsätzlich an Entscheidungen der Besatzungsmächte teilhaben lassen wollten.

Das Vertragswerk enthält folgende Einzelverträge:[51]

Deutschlandvertrag (Souveränität)

Beitritt zur WEU

Beitritt zur NATO

Saarstatut mit Frankreich

„Ihre „Krönung“ fanden die Europäisierungsversuche (somit) in dem am 23. Oktober 1954 in Paris unterzeichneten Vertrag[52] zwischen dem deutschen Bundeskanzler Dr. Adenauer und dem französischen Ministerpräsidenten Mendès-France, indem sie ein europäisches Saarstatut vorschlugen, das im Rahmen der von ihm geforderten demokratischen Freiheiten seine Annahme einer Volksabstimmung anvertraute.“[53]

Doch „in allem, was wir politisch tun, ist schon der Keim zur Geburt des Gegenteils dessen enthalten, was wir mit diesem Tun beabsichtigen.“[54] Mit diesen Worten lässt sich treffend dieser Versuch der Europäisierung der Saar umschreiben.

Die in dem Abkommen über das Statut der Saar vom 23. Oktober 1954 getroffene Lösung der Saarfrage trägt alle Zeichen eines Kompromisses. Da der Vertrag den Vorbehalt enthielt, dass die vereinbarte Lösung nur bis zu dem Abschluss eines Friedensvertrages mit Deutschland gelten sollte, konnte er ebenfalls als ein Provisorium bezeichnet werden.[55] Von deutscher Seite wurde auf die Feststellung Wert gelegt, dass die vorläufige Lösung der Saarfrage die endgültige Lösung weder vorwegnehmen noch beeinträchtigen sollte. Nach Abschluss des Abkommens sollte das Saarland bleiben, was es vorher gewesen war, nämlich ein Teil Deutschlands in den Grenzen von 1937. Lediglich befristet sollte es unter ein Sonderregime gestellt werden. Das Saarland sollte einem europäischen Kommissar unterstellt werden, der die saarländischen Interessen auf dem Gebiet der auswärtigen Angelegenheiten und der Verteidigung wahrnehmen sollte.[56] Ihm sollte ferner die Überwachung des Saarstatuts obliegen. Vom Ministerrat der WEU sollte er ernannt und diesem verantwortlich sein. Er durfte weder Franzose, Deutscher, noch Saarländer sein.

Es war ein besonderer Erfolg der Bundesregierung, dass im Statut die Wiederherstellung der politischen Freiheitsrechte im Saarland festgelegt wurde. Die im Saarland bestehenden Beschränkungen der demokratischen Freiheiten sollten aufgehoben werden.[57] Diese Regelung sollte jedoch nur dann Grundlage des Lebens im Saarland werden, wenn sie von der Bevölkerung in einer freien Volksabstimmung gebilligt werden würde.[58] Drei Monate nach der erfolgreichen Herstellung der demokratischen Freiheiten – also vor allem nach der Zulassung pro-deutscher Parteien – sollte die Abstimmung erfolgen.[59]

Weitere Vereinbarungen im Saarstatut, welche „jeden Anlass zu Streitigkeiten in den gegenseitigen Beziehungen beseitigen“[60] sollten, sind zweitrangig vor dem Hintergrund, hier das Augenmerk auf Europa gerichtet zu halten. Die jeweiligen Artikel sollen hier im Ganzen wiedergegeben werden:

 

Artikel III

 

Die beiden Regierungen werden den anderen beteiligten europäischen Regierungen vorschlagen, die Wahrnehmung der Interessen der Saar bei den europäischen Organisationen folgendermaßen zu regeln:

a.       ) Europarat:

1.      Ministerkomitee:

Der Kommissar nimmt an den Sitzungen mit beratender Stimme teil.

2.      Beratende Versammlung:

Saarländische Vertretung unverändert.

 

            b.) Montangemeinschaft:

                        1. Besonderer Ministerrat:

a.) Wenn die Außenminister tagen, wird die Saar durch den Kommissar vertreten.

b.) Wenn andere Minister tagen, wird die Saar mit Stimmrecht durch ihren zuständigen Minister vertreten.

                        2. Gemeinsame Versammlung:

Drei Abgeordnete werden vom Saarlandtag gewählt, die französische Vertretung bleibt zahlenmäßig den Vertretungen Italiens und der Bundesrepublik Deutschland gleich, wie es in Artikel 21 des Vertrages über die Gründung der Montangesellschaft vorgesehen ist.

 

c.) Westeuropäische Union:

            1. Ministerrat:

                        Der Kommissar nimmt an den Sitzungen mit beratender Stimme teil.

2.      Parlamentarische Vertretung:

Die Versammlung der Westeuropäischen Union umfasst die saarländischen Delegierten zur Beratenden Versammlung des Europarats.

 

Wenn es in Artikel I des Statuts heißt, dass dem Saargebiet ein „europäisches Statut“ gegeben werden sollte, so verdiente das Statut dieses Beiwort nur insofern, als es in den Rahmen der WEU gestellt werden sollte und der Rat dieser Union den Kommissar zu bestimmen hatte, der ihm verantwortlich sein sollte.

Das ist der entscheidende Punkt, in dem sich dieses Statut vom Naters-Plan unterscheidet, der ja noch proklamierte, die Saar habe europäisches Territorium zu sein. Eben dieser Vertrag hatte nicht den Anspruch einer territorialen Europäisierung. Doch an den wesentlichen Vorschlägen Naters – vor allem in wirtschaftlicher Hinsicht -  hatte man festgehalten. Darüber hinaus war auch vorgesehen, die Saar an der europäischen Verteidigung zu beteiligen.[61] Der wesentliche Sinn des Saarstatuts lag somit in der Lösung der Saarfrage, denn die Krise zwischen Frankreich und Deutschland wurde merklich allen Beteiligten überdrüssig, und man nutze eine modifizierte Variante einer Europäisierung der Saar, um sich dieses Problems – welches zu einem Hemmschuh der Politik Europas zu werden drohte – zu entledigen.

Auch dieser dritte Europäisierungsversuch scheiterte. Die im Statut auf den 23. Oktober 1955 festgelegte Volksabstimmung machte es, genau ein Jahr nach dessen Aushandlung, zunichte. Folgende Stimmenverteilung besiegelte das Ende eines europäischen Territoriums an der Saar:

 

Wahlbeteiligung:        96,72 %

                        Gültige Stimmen:       97,45 % = 625.407

                        Ja-Stimmen:                32,29% = 201.973

                        Nein-Stimmen:           67,71% = 423.434

 

Das „Nein“ der Saarbevölkerung zum Saarstatut war ein Politikum von großer Bedeutung. Es stellte  das Ende aller Europäisierungsbemühungen dar, denn nach dieser eindrucksvollen Willensbekundung[62] war eine Rückkehr zum status quo undenkbar. Das „Nein“ zum Saarstatut bedeutete zwar nur unmittelbar, aber im Hinblick auf das zahlenmäßiges Übergewicht dieser Stimmen doch ein klares „Nein“ zur Regierung Hoffmanns und damit ein eindeutiges Bekenntnis zur Eingliederung in den Staatsverband der Bundesrepublik. Am Abend des Abstimmungstages endete die seit 1945 betriebene Politik der Abtrennung der Saar im Zeichen einer Europäisierung.


7.) Zusammenfassung:

 

Im Jahre 1952 begann sich die Möglichkeit abzuzeichnen, dass das Spannungsmoment, welches in der Saarfrage lag und welches nicht nur das unmittelbare Verhältnis zwischen Deutschland und Frankreich belastete, sondern auch der sich anbahnenden Integration im westeuropäischen Raum hemmend entgegenstand, im europäischen Rahmen gelöst werden konnte. Obwohl die Bundesregierung hinsichtlich der Rechtsfrage grundsätzlich bei der Auffassung verblieb, dass das Saarland einen Teil Deutschlands in den Grenzen von 1937 darstellte und dass alle einseitigen Maßnahmen Frankreichs, die auf eine Abtrennung der Saar von Deutschland abzielten, völkerrechtswidrig seien, erkannte sie die wirtschaftlichen Interessen Frankreichs eindeutig an. Sie deutete damit die Bereitschaft zu einem Kompromiss an und betonte, dass die Saarfrage über die deutsch-französischen Beziehungen hinaus europäische Bedeutung habe.

Der konkrete Vorschlag, ein europäisches Territorium an der Saar zu schaffen, wurde 1952 erstmals von französischer Seite im Zuge der Montanunion gemacht. Ebenfalls im Jahre 1952 beauftragte der Europarat den niederländischen Delegierten van der Goes van Naters, einen Plan zur Lösung der Saarfrage im europäischen Sinne auszuarbeiten. Im Laufe der Verhandlungen über diesen Plan wurde die Entscheidung über das Saarland mit den Planungen über die Bildung einer supranationalen Europäischen Politischen Gemeinschaft (EPG) und der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft (EVG) verbunden. Beide Pläne scheiterten wie beschrieben. Der Weg der Saar nach Europa schien versperrt, doch es schlossen sich alle Beteiligten nochmals zusammen, um am 23. Oktober 1954 ein Abkommen über das Statut der Saar auf den Weg zu bringen. Das Saarstatut scheiterte aber ebenfalls, diesmal nicht in diplomatischen Sackgassen, sondern am Ausgang der Volksabstimmung ein Jahr später, am 23. Oktober 1955.

 

III. Ausblick und Schluss

 

Es bleibt festzuhalten, dass alle Europäisierungsversuche der Saar, im Rahmen der Saarfrage zwischen Deutschland und Frankreich sowie der westeuropäischen Integration, scheiterten. Gründe sind hierfür viele genannt worden: Von diplomatischer Engstirnigkeit über Sackgassenpolitik bis hin zu gescheiterten Abstimmungen bzw. Volksabstimmungen gab es viele Gründe, die die Vision eines Europas, wie es sie schon vor dem Ersten Weltkrieg gab, zunichte werden ließ.

Wie in der Einleitung gesagt wurde, ist Europa heute in aller Munde. Die europäische Integration ist vollzogen und Europa ist zu einer Großmacht aufgestiegen. Damals, in den frühen fünfziger Jahren und als Instrument zur Lösung der Saarfrage „war die Zeit einfach nicht reif für Europa“, um den frühen Regierungssprecher Johannes Hoffmanns, Peter Scholl-Latour, zu zitieren.[63] Ein Gedicht Wolf Biermanns, das Oskar Lafontaine in seinem Aufsatz über Johannes Hoffmann zitiert, formuliert es präziser: „Die Zufrühgekommenen sind nicht gern gesehen. Aber ihre Milch trinkt man dann.“[64]

Interessant ist es auch festzustellen, dass die vermeintliche europäische Hauptstadt Europas – Saarbrücken – von der Vergangenheit eingeholt wird. Gemeint ist der im Bau befindliche „Eurobahnhof“, der im zusammenwachsenden Europa eine große Rolle spielen soll.

 

Das Kapitel der Europäisierungsbestrebungen an der Saar ist damit abgeschlossen.

Interessant wäre es nun, den Abstimmungskampf um das Saarstatut an sich zu betrachten. Die zugelassene Opposition ließ nichts unversucht, die Wähler zu einem „Nein“ zu bewegen. Parteiveranstaltungen im Saarland im Jahre 1955 sind mit denen heute nicht zu vergleichen, im Vergleich zum Abstimmungskampf von 1955 wirken sie auf den saarländischen Journalisten Klinkhammer „wie Teestunden im Mädchenpensionat“.[65] Mit dieser an Dramatik, Tragik und Polemik nicht zu überbietenden Agitation ging auch ein Riss durch das Pulverfass Saarland, der die Menschen und ihre Familien in „Ja-Sager“ und „Nein-Sager“ spaltetet.

Zeitlich danach sind die Stationen der „Kleinen Wiedervereinigung“ untersuchenswert, die Landtagswahl vom 18. Dezember 1955, das Inkrafttreten des Gesetzes über die Eingliederung des Saarlandes in die Bundesrepublik Deutschland und schließlich der lange geheim gehaltene „Tag X“, an dem die wirtschaftliche Eingliederung vollzogen sein sollte. Auch die Betrachtung der Saarfrage von bundesdeutscher Seite her scheint reizvoll, da die schleierhafte Haltung Adenauers in der Saarfrage noch einige Fragen offen lässt.

Die Betrachtung des Saarstaates als solchen, der sein Existenzrecht aus der „Zukunftsvision Europa“ ableitete, soll zuletzt angeregt werden, sowie eine Beschäftigung mit dem oft genannten Johannes Hoffmann; Ob Separatist oder großer Europäer – „es ist das Verdienst klar sehender Männer, versucht zu haben, ihrer Zeit vorauszueilen, und es ist das Verdienst des Herrn Präsidenten Hoffmann, sich trotz der Schwierigkeiten, trotz der Unpopularität dieser Aufgabe gewidmet zu haben.“[66]

„Europa wird gebaut. Getragen von großen Hoffnungen. Doch erfüllen werden sie sich nur, wenn sie der Geschichte Rechnung tragen. Ein geschichtsloses Europa wäre ohne Herkunft und Zukunft. Denn das Heute entstammt dem Gestern, und das Morgen entsteht aus dem Vergangenen. Dieses Vergangene soll die Gegenwart jedoch nicht lähmen, sondern sie befähigen, bei allem Bewahren eine andere und im Fortschritt eine neue Gestalt zu gewinnen.“[67]

 

[1] Andres, Stefan: „Die großen Europäer“. Rede in Bous am 23. Mai 1970. In: Groß, Bernd (Hrsg.): Stefan Andres, das Saarland und die Europäische Idee. Saarbrücken o. J. S. 11-14.

Stefan Paul Andres (1906-1970 ) war in den 1950er-Jahren einer der meistgelesenen deutschen Schriftsteller.

[2] Auch der französische Mediävist Le Goff fragt, ob Karl der Große der erste Europäer gewesen sei (S. 50), sieht jedoch die  „Empfängnis Europas“ (S. 29) schon früher, indem er sein Werk bei der Christianisierung beginnen lässt. Vgl. Le Goff, Jacques: Die Geburt Europas im Mittelalter. München 2004.

[3] Ein zeitgeschichtlicher Rahmen wird im Folgenden nur dann gegeben, wenn es unumgänglich erscheint.  Deshalb soll hier auf einen Aufsatz verwiesen sein, der einen solchen Rahmen bietet und in vorliegende Thematik eingebunden ist. Vgl. Steinert, Marlies: Die Europäisierung der Saar: Eine echte Alternative? In: Grenz-Fall. Das Saarland zwischen Frankreich und Deutschland 1945-1960, hrsg. von Rainer Hudemann u. a. (Schriftenreihe Geschichte, Politik & Gesellschaft der Stiftung Demokratie Saarland, Band 1). St. Ingbert 1997. S. 63-79.

[4] Wertvolle Erkenntnisse und Literatur können auch im Aufsatz von Wilfried Loth erschlossen werden. Vgl. Loth, Wilfried: Der saarländische Sonderweg im Licht der neueren Forschung. In: Grenz-Fall. Das Saarland zwischen Frankreich und Deutschland 1945-1960, hrsg. von Rainer Hudemann u.a. (Schriftenreihe Geschichte, Politik & Gesellschaft der Stiftung Demokratie Saarland, Band 1). St. Ingbert 1997. S. 81-95.

[5] Schmidt, Robert: Saarpolitik 1945-1957. 3 Bände. Berlin 1957.

[6] Vgl. diese tagespolitischen Gegebenheiten auch bei Laqueur, Walter: Europa auf dem Weg zur Weltmacht: 1945-1992. München 1992.

[7] Stigulinszky, Roland: Aus dem Leben der Saarländer. Von Spichern bis zur kleinen Wiedervereinigung. Neunkirchen 1995. S. 196.

[8] Vgl.: Kobler, Barbara: Die Europaidee. Von Pierre Dubois (ca.1250 / 1260 – ca. 1321) bis Richard Nikolaus Graf Coudenhove-Kalergie (1894-1972). Versuch einer Darstellung anhand ausgewählter Persönlichkeiten. Nordhausen 2003.

[9] Coudenhove-Kalergie, Richard: Paneuropa. Wien / Leipzig 1923.

In jüngster Zeit kam Coudenhove-Kalergie und der Paneuropabewegung in den zwanziger Jahren verstärktes Interesse zu, vgl.: Ziegerhofer-Prettenthaler, Anita: Botschafter Europas. Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergie und die Paneuropa-Bewegung in den zwanziger und dreißiger Jahren. Wien 2004. Ebenso:

Wyrwa, Ulrich: Richard Nikolaus Graf Coudenhove-Kalergie (1894-1972) und die Paneuropabewegung in den zwanziger Jahren. In: Lothar Gall (Hrsg.): Historische Zeitschrift 283/1 (2006). München 2006. S. 103-122.

[10] Zitiert nach: Europa-Ploetz. Ereignisse und Entwicklungen seit 1945. Freiburg 1999. S. 15.

[11] Der Begriff wurde erstmals von der britischen Labour-Politikerin Ethel Snowden im Jahre 1920 in Gesprächen über Sowjet-Russland verwendet. Vgl. Snowden, Ethel: Through Bolshevik Russia. New York 1920.

[12] Churchill, Winston: The sinews of peace. March 5, 1946. Westminster College, Fulton, Missouri. In: Robert Rhode James (Hrsg.): Winston S. Churchill. His complete speeches 1897-1963. Vol. VII. 1943-1949. New York / London 1974. S. 7285-7293.

[13] Ebd.: The tragedy of europe. Septembre 19, 1946. Zurich University. In: Robert Rhode James (Hrsg.): Winston S. Churchill. His complete speeches 1897-1963. Vol. VII. New York / London 1979. S. 7379-7832. Trotzdem bleibt ein ambivalentes Verhältnis von Großbritannien zu Europa – bis heute – bestehen.

[14] Ja und Nein. Das Saarreferendum von 1955. Katalog zur Ausstellung, hrsg. vom Gerhard Ames und Ludwig Linsmayer. Saarbrücken 2005. S. 44.

[15] Will, Hans Peter: Die Saar und Europa. In: Klaus Altmeyer u. a. (Hrsg.): Das Saarland. Ein Beitrag zur Entwicklung des jüngsten Bundeslandes in Politik, Kultur und Wirtschaft. Saarbrücken 1958. S. 19.

[16] Vgl. neben der zahlreichen Literatur zur Deutschlandpolitik Frankreichs nach dem Zweiten Weltkrieg auch den Aufsatz von Hudemann, Rainer: Konflikt und Kooperation. Zu Frankreichs Saarpolitik nach Kriegsende. In: Von der `Stunde O´ zum `Tag X´. Das Saarland 1945-1959. (Katalog zur Ausstellung des regionalgeschichtlichen Museums im Saarbrücker Schloss). Saarbrücken 1990. S. 97-104.

[17] Will: S. 122.

[18] Herrmann, Hans Walter: Die Saarfrage nach 1945 und die deutsch-französische Verständigung. In: Saarheimat 29 (1985). Saarbrücken 1985. S. 247-251.

[19] Der Journalist und Politiker Hoffmann war Vorsitzender der Christlichen Volkspartei (CVP) und erster saarländischer Ministerpräsident von 1947-1955. Vgl. weiterführend Steinle, Brigitte: Johannes Hoffmann – ein Leben. o. O. 1990. Und: Gestier, Markus: Johannes Hoffmann - Eine erste Bilanz. Blieskastel 2004.

[20] Kirn war eine weitere personelle Achse der separatistischen Bewegung im Saarland. Als Vorsitzender der sozialdemokratischen Partei des Saarlandes (SPS) war er in zwei Kabinetten Hoffmanns einmal Minister für Arbeit und Wohlfahrt und einmal stellv. Ministerpräsident.

[21] Herrmann, S. 248.

[22] Herrmann: Die Saarfrage nach 1945. S. 249.

[23] Vgl. dazu den Brief des Bürgermeisters von Saarbrücken an den Vorsitzenden der EGKS (Schuman) vom 9. Juni 1951 mit dem Betreff: Wahl der Stadt Saarbrücken als Sitz für die Verwaltung der Europäischen Kohlen- und Stahlunion. Hier wird vor allem mit der für die Union zentralen Lage Saarbrückens und deren guten Verkehrsanbindungen geworben, konkrete Bauvorschläge und Geländepläne in Aussicht gestellt. In: Ja und Nein. Das Saarreferendum von 1955. S. 44.

[24] Für Einzelheiten aller Art in Zusammenhang mit dem Problem der Vorbereitungen in Saarbrücken für eine Aufnahme der Montanunionsbehörden sei auf die verzeichneten Fußnoten bei Schmidt: Saarpolitik II, S. 582 verwiesen.

[25] Vgl. hier auch das Saar-Wappen der Hoffmann-Zeit in den Farben Frankreichs, das von einer Brücke sozusagen „gekrönt“ wird. Die Brücke steht für den Anspruch des abgetrennten Saarlandes, Brücke der Verständigung zwischen Deutschland und Frankreich zu sein.

[26] Zitiert nach Ja und Nein. Das Saarreferendum von 1955. S. 58.

[27] Aus der Sicht der saarländischen Regierungsparteien waren die pro-deutschen Oppositionskräfte lediglich „Störenfriede der deutsch-französischen Verständigung und der übergeordneten europäischen Notwendigkeiten.“ Vgl. Kraus, Albert: Die Volksabstimmung im Saarland vom 23. Oktober 1955. In: Bergmannskalender 2006. S. 65. Vgl. auch: Schneider, Heinrich: Saarfrage in Dokumenten. Die Beweise gegen das Verbot der D.P.S. Die erste grundlegende Stellungnahme der verbotenen D.P.S zu ihrer Klage an das Oberverwaltungsgericht Saarlouis, hrsg. von Richard Becker. Saarbrücken 1952.

[28] Diese Verhältnisse heizten die Stimmung vor der Wahl extrem an. Die verbotenen Parteien schöpften ihre Möglichkeiten des Protests voll und ganz aus, so dass von einer regelrechten Wahlkampfschlacht gesprochen werden muss. Die angeregte Protestmaßnahme, weiße Stimmzettel für Deutschland und gegen Europa abzugeben, wurde nur von rund einem Viertel der Wähler genutzt. Vgl. die Polemiken und Protestmaßnahmen auch bei Kraus, Albert H. V.: Als „Joho“ das Saarland regierte. Der Weg der Saar 1945 bis 1955 im Spiegel von Episoden – Kuriositäten – Volkswitz – Karikaturen. In: Saarbrücker Bergmannskalender 1987. S. 271-289.

Dem Vorwurf der Verfassungsfeindlichkeit tritt Heinrich Schneider u. a. in einem Zeitungsartikel in der „Frankfurter Allgemeinen“ entgegen, wo er am 1.1.1952 unter der Überschrift: Sind wir Verfassungsfeinde? sagt, dass man „mit Mitteln der Despotie keine Freiheit macht. Noch viel weniger aber kann man damit Europa schaffen.“ In: Stimmen der Deutschen Saaropposition, hrsg. vom Deutschen Saarbund. Bd. 1. o. O, o. J.

[29] Herrmann, S. 249.

[30] Zwei davon ernennt der Präsident der Vereinigten Staaten mit Zustimmung des Senats aus Kreisen des zivilen Personals, den dritten teilt er aus dem Kreis des Ingenieur-Corps der US-Armee hinzu. Die drei Kommissionäre  haben Machtbefugnis nach Art der Kommunalbehörden, die Gesetzgebung obliegt dem Kongress der USA, dessen beide Häuser ein Komitee im District of Columbia unterhalten. Die Einwohner des Distrikts besitzen kein Wahlrecht und infolgedessen auf diesem Wege keinen direkten Einfluss auf ihre Behörden und auf die Verwaltung.

Nach Schmidt, Robert: Saarpolitik 1945-1957. II: Entfaltung der Saarpolitik zwischen „Wirtschaftsanschluss“ und „Europäisierung“ 1945-1953. Berlin 1969. S. 581f.

[31] Der Wortlaut des Goes-van-Naters Plans ist bei Dischler, Ludwig: Das Saarland 1945-1956. Eine Darstellung der historischen Entwicklung mit den wichtigsten Dokumenten. Zweiter Teil. Hamburg 1956. S. 94-105 zu finden. Hier wird er auch im Folgenden zitiert.

[32] Vgl. weitere Vorschläge zur Lösung der Saarfrage der unterschiedlichen Gruppierungen bei Schmidt, Robert: Saarpolitik 1945-1957. II: Entfaltung der Saarpolitik zwischen „Wirtschaftsanschluss“ und „Europäisierung“ 1945-1953. Berlin 1969. S. 586-592.

[33] Vgl. hier explizit Schneider, Heinrich: Die Saar, deutsch oder europäisch? Köln 1954.

[34] Vgl. die aktuellsten Überlegungen diesbezüglich bei Fischer, Per: Das Saarstatut des Europarats. Vorstoß in europäisches integrationspolitisches Neuland. In: Rainer Hudemann und Raymond Poidevin (Hrsg.): Die Saar 1945-1955. Ein Problem der europäischen Geschichte. München 1992. S. 115-126, sowie dessen ältere, zeitnahe Ausführungen; Ebd.: Die Saar zwischen Deutschland und Frankreich. Politische Entwicklungen von 1945-1959. Frankfurt am Main 1959.

[35] Schmidt: Saarpolitik II, S. 576.

[36] Vgl. Geppert, Dominik: Die Ära Adenauer. (Geschichte Kompakt, hrsg. von Martin Kintzinger u. a.) Darmstadt 2002.

[37] Die Europäische Politische Gemeinschaft war der erste Versuch eine umfassende politische Integration europäischer Staaten zu verwirklichen und somit ein (gescheiterter) Vorläufer der EU. Vgl. weiterführend Weidenfeld, Werner/Wessels, Wolfgang (Hrsg.): Europa von A bis Z - Taschenbuch der europäischen Integration. Bonn 2000.

[38] Marinus van der Goes van Naters (1900 - 2005) war ein niederländischer Politiker. Zu seinen Lebzeiten war er ein prominentes Mitglied der sozialdemokratischen Partei und sowohl in der niederländischen als auch in der europäischen Politik tätig.

[39] Herrmann, Hans-Walter, Sante, Georg Wilhelm: Geschichte des Saarlandes. (Heft 3 der Schriftenreihe zur politischen Bildung). Saarbrücken 1972. S. 51.

[40] In der Beratenden Versammlung des Europarates herrschte die Erkenntnis, dass eine integrale Befassung mit allen Aspekten des Saarkonfliktes unerlässlich sei. Die betroffenen Regierungen und Parlamente schienen allein keine Gesamtlösung finden zu können, weil sie auf zu viele Strömungen ihrer Öffentlichkeit und auf widerstreitende nationale Interessen Rücksicht nehmen mussten.

[41] Naters-Plan Präambel.

[42] Ebd.

Weitere radikale Thesen und Prämissen der Europaverfechter sind folgendem Werk zu entnehmen: Eckhardt, Werner: Die Saar fließt nach Europa. Frankfurt 1954.

[43] Naters-Plan, Kapitel I, A. Politische Fragen, 1-11.

[44] Naters-Plan, Kapitel I, B. Wirtschaftsfragen, 12-15.

[45] Vgl. hier den Brief Richard Beckers von der DPS an Adenauer vom 1. Juni 1954, in dem er jenem die „schweren Bedenken“ und „schweren Gründe seines ablehnenden Standpunkts“ erläutert. Der Brief und weitere ablehnende Dokumente sind zu finden bei Schneider, Heinrich / Becker, Richard: Warum Nein zum Naters-Plan? In: Stimmen der deutschen Saaropposition, Heft 3. Köln 1954.

[46] Eine übersichtliche, tabellarische Gegenüberstellung der deutschen und französischen Verhandlungsziele ist zu finden bei Heinen, Armin: Saarjahre. Politik und Wirtschaft im Saarland 1945-1955. (Historische Mitteilungen der Ranke-Gesellschaft, hrsg. von Michael Salewski und Jürgen Elvert. Beiheft 19. Stuttgart 1996. S. 452.

[47] Vgl.: Möller, Horst und Hildebrand, Klaus (Hrsg.): Die Bundesrepublik und Frankreich: Dokumente 1949-1963. Band 1, Außenpolitik und Diplomatie. Nr. 94: Auswärtiges Amt, Arbeitspapier, 5.10.1953, streng vertraulich. München 1997. S. 330-337.

[48] Ebd.: S. 335 ff.

[49] Die Ratifizierung scheiterte 1954, da sich die französische Nationalversammlung mit 319 zu 164 Stimmen nach der bereits erfolgten Zustimmung durch die Parlamente Belgiens, Deutschlands, Luxemburgs und der Niederlande gegen die Europäische Verteidigungsgemeinschaft aussprach. Der offizielle Grund war, dass den Abgeordneten die Übertragung der militärischen Souveränitätsrechte an eine übernationale Behörde zu weit ging, Deutschland mit einer (nationalen) Armee als gleichberechtigter Partner behandelt werden sollte und grundsätzliche Bedenken gegen eine Wiederbewaffnung Deutschlands, acht Jahre nach dem Krieg, weiter bestanden. Zu weiteren (militärtaktischen) Hintergründen des Scheitern der EVG siehe auch Steininger: Deutsche Geschichte. 292 f.

[50] Widhofer, Wolfgang: Die Eingliederung des Saarlandes in die Bundesrepublik Deutschland. (Schriften zur Rechtslehre und Politik 28). Bonn 1960. S. 49.

[51] Über den Deutschlandvertrag, den Beitritt der BRD zur WEU und NATO kann sich im Einzelnen in der einschlägigen Literatur der Adenauer-Ära erkundigt werden.

[52] Das Abkommen zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Französischen Republik über das Statut der Saar ist abgedruckt bei Hoffmann, Johannes: Das Ziel war Europa. Der Weg der Saar 1945-1955. München 1963. S 449. Dort wird es auch im Folgenden zitiert.

[53] Will: Die Saar und Europa. S. 124.

[54] Niccolo Macciavelli (1496-1527), zitiert nach Kraus: Die Volksabstimmung im Saarland. S. 66.

[55] Widhofer: Die Eingliederung des Saarlandes in die Bundesrepublik. S. 51.

[56] Abkommen Art. II.

[57] Abkommen Art. VI.

[58] Abkommen Art. I.

[59] Abkommen Art. X.

[60] Abkommen Präambel.

[61] Freymond, Jacques: Die Saar 1945-1955. München 1961. S. 178.

[62] Die zugelassenen pro-deutschen Parteien schafften es in ihrem Wahlkampf vor der Abstimmung der Bevölkerung zu suggerieren, nicht nur über ein Ja oder Nein zum Statut abzustimmen, sondern auch über eine Zugehörigkeit des Saarlandes zu Frankreich unter dem Mantel Europas (Ja), oder eben zur Bundesrepublik (Nein). Vgl. Klinkhammer, Otto: >>Nein<< war positiv, >>Ja<< war negativ. Die Abstimmung über das Saarstatut 1955. In: Klaus-Michael Mallmann u. a. (Hrsg.): Richtig daheim waren wir nie. Entdeckungsreisen ins Saarrevier 1815-1955. Berlin 1988. S. 258-263. 

[63] Die Zeit war nicht reif für Europa. Peter Scholl-Latour, der frühere Regierungssprecher von Joho, erinnert sich. Interview zwischen Peter Scholl-Latour und der Saarbrücker Zeitung. In: Franz, Gerhard: Der Sieg der Neinsager. 50 Jahre nach der Abstimmung über das Saarstatut. Blieskastel 2005. S. 155-161.

[64] Lafontaine, Oskar: Über Johannes Hoffmann. In: Steinle, Brigitte: Johannes Hoffmann – ein Leben. o. O. 1990. S. 11.

[65] Klinkhammer, S. 260.

[66] Zitiert nach Oskar Lafontaine, S. 15.

[67] Hier sei bewusst noch einmal der Mediävist Le Goff zitiert, (S. 6) um dem Rahmen der „uralten Europaidee“ einen letzten Nachdruck zu verleihen.

IV. Quellen- und Literaturverzeichnis:


a.) Quellenverzeichnis

 

-          Andres, Stefan: „Die großen Europäer“. Rede in Bous am 23. Mai 1970. In: Groß, Bernd (Hrsg.): Stefan Andres, das Saarland und die Europäische Idee. Saarbrücken o. J. S. 11-14.

 

-          Churchill, Winston: The sinews of peace. March 5, 1946. Westminster College, Fulton, Missouri. In: Robert Rhode James (Hrsg.): Winston S. Churchill. His complete speeches 1897-1963. Vol. VII. 1943-1949. New York / London 1974. S. 7285-7293.

 

-          Ebd.: The tragedy of europe. Septembre 19, 1946. Zurich University. In: Robert Rhode James (Hrsg.): Winston S. Churchill. His complete speeches 1897-1963. Vol. VII. New York / London 1979. S. 7379-7832.

 

-          Das Abkommen zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Französischen Republik über das Statut der Saar.

In: Hoffmann, Johannes: Das Ziel war Europa. Der Weg der Saar 1945-1955. München 1963. S 449 ff.

 

-          Die Zeit war nicht reif für Europa. Peter Scholl-Latour, der frühere Regierungssprecher von Joho, erinnert sich. Interview zwischen Peter Scholl-Latour und der Saarbrücker Zeitung. In: Franz, Gerhard: Der Sieg der Neinsager. 50 Jahre nach der Abstimmung über das Saarstatut. Blieskastel 2005. S. 155-161.

 

-          Europäisches Statut für das Saarland (Naters-Plan). In: Dischler, Ludwig: Das Saarland 1945-1956. Eine Darstellung der historischen Entwicklung mit den wichtigsten Dokumenten. Zweiter Teil. Hamburg 1956. S. 94-105.

 

-          Möller, Horst und Hildebrand, Klaus (Hrsg.): Die Bundesrepublik und Frankreich: Dokumente 1949-1963. Band 1, Außenpolitik und Diplomatie. Nr. 94: Auswärtiges Amt, Arbeitspapier, 5.10.1953, Streng vertraulich. München 1997. S. 330-337.

 

-          Schneider, Heinrich / Becker, Richard: Warum Nein zum Naters-Plan? In: Stimmen der deutschen Saaropposition, Heft 3. Köln 1954.

 

-          Schneider, Heinrich: Saarfrage in Dokumenten. Die Beweise gegen das Verbot der D.P.S. Die erste grundlegende Stellungnahme der verbotenen D.P.S zu ihrer Klage an das Oberverwaltungsgericht Saarlouis, hrsg. von Richard Becker. Saarbrücken 1952.


b.)  Literaturverzeichnis:

 

-          Coudenhove-Kalergie, Richard: Paneuropa. Wien / Leipzig 1923.

 

-          Eckhardt, Werner: Die Saar fließt nach Europa. Frankfurt 1954.

 

-          Europa-Ploetz. Ereignisse und Entwicklungen seit 1945. Freiburg 1999.

 

-          Fischer, Per: Das Saarstatut des Europarats. Vorstoß in europäisches integrationspolitisches Neuland. In: Rainer Hudemann und Raymond Poidevin (Hrsg.): Die Saar 1945-1955. Ein Problem der europäischen Geschichte. München 1992. S. 115-126.

 

-          Ebd.: Die Saar zwischen Deutschland und Frankreich. Politische Entwicklungen von 1945-1959. Frankfurt am Main 1959.

 

-          Freymond, Jacques: Die Saar 1945-1955. München 1961.

 

-          Geppert, Dominik: Die Ära Adenauer. (Geschichte Kompakt, hrsg. von Martin Kintzinger u. a.) Darmstadt 2002.

 

-          Gestier, Markus: Johannes Hoffmann - Eine erste Bilanz. Blieskastel 2004.

 

-          Heinen, Armin: Saarjahre. Politik und Wirtschaft im Saarland 1945-1955. (Historische Mitteilungen der Ranke-Gesellschaft, hrsg. von Michael Salewski und Jürgen Elvert, Beiheft 19). Stuttgart 1996.

 

-          Herrmann, Hans Walter: Die Saarfrage nach 1945 und die deutsch-französische Verständigung. In: Saarheimat. 29 (1985). Saarbrücken 1985. S. 247-251.

 

-          Herrmann, Hans-Walter / Sante, Georg Wilhelm: Geschichte des Saarlandes. (Heft 3 der Schriftenreihe zur politischen Bildung). Saarbrücken 1972.

 

-          Hudemann, Rainer: Konflikt und Kooperation. Zu Frankreichs Saarpolitik nach Kriegsende. In: Von der `Stunde O´ zum `Tag X´. Das Saarland 1945-1959. (Katalog zur Ausstellung des regionalgeschichtlichen Museums im Saarbrücker Schloss). Saarbrücken 1990. S. 97-104.

 

-          Ja und Nein. Das Saarreferendum von 1955. Katalog zur Ausstellung, hrsg vom Gerhard Ames und Ludwig Linsmayer. Saarbrücken 2005.

 

-          Klinkhammer, Otto: >>Nein<< war positiv, >>Ja<< war negativ. Die Abstimmung über das Saarstatut 1955. In: Klaus-Michael Mallmann u. a. (Hrsg.): Richtig daheim waren wir nie. Entdeckungsreisen ins Saarrevier 1815-1955. Berlin 1988. S. 258-263. 

 

-          Kobler, Barbara: Die Europaidee. Von Pierre Dubois (ca.1250 / 1260 – ca. 1321) bis Richard Nikolaus Graf Coudenhove-Kalergie (1894-1972). Versuch einer Darstellung anhand ausgewählter Persönlichkeiten. Nordhausen 2003.

 

-          Kraus, Albert H. V.: Als „Joho“ das Saarland regierte. Der Weg der Saar 1945 bis 1955 im Spiegel von Episoden – Kuriositäten – Volkswitz – Karikaturen. In: Saarbrücker Bergmannskalender 1987. S. 271-289.

 

-          Kraus, Albert: Die Volksabstimmung im Saarland vom 23. Oktober 1955. In: Bergmannskalender 2006. S. 60-92.

 

-          Le Goff, Jacques: Die Geburt Europas im Mittelalter. München 2004.

 

-          Lafontaine, Oskar: Über Johannes Hoffmann. In: Steinle, Brigitte: Johannes Hoffmann – ein Leben. o. O. 1990.

 

-          Loth, Wilfried: Der saarländische Sonderweg im Licht der neueren Forschung. In: Grenz-Fall. Das Saarland zwischen Frankreich und Deutschland 1945-1960, hrsg. von Rainer Hudemann u.a. (Schriftenreihe Geschichte, Politik & Gesellschaft der Stiftung Demokratie Saarland, Band 1). St. Ingbert 1997. S. 81-95.

 

-          Laqueur, Walter: Europa auf dem Weg zur Weltmacht: 1945-1992. München 1992.

 

-          Snowden, Ethel: Through Bolshevik Russia. New York 1920.

 

-          Schmidt, Robert: Saarpolitik 1945-1957. Erster Band: Politische Struktur. Berlin 1959.

 

-          Ders.: Saarpolitik 1945-1957. Zweiter Band: Entfaltung der Saarpolitik zwischen „Wirtschaftsanschluss“ und „Europäisierung“ 1945-1953. Berlin 1960.

 

-          Ders.: Saarpolitik 1945-1957. Entfaltung der Saarpolitik vom Scheitern der EVG bis zur Wiedervereinigung (1954-1957). Berlin 1962.

 

-          Schneider, Heinrich: Die Saar, deutsch oder europäisch? Köln 1954.

 

-          Steinert, Marlies: Die Europäisierung der Saar: Eine echte Alternative? In: Grenz-Fall. Das Saarland zwischen Frankreich und Deutschland 1945-1960, hrsg. von Rainer Hudemann u.a. (Schriftenreihe Geschichte, Politik & Gesellschaft der Stiftung Demokratie Saarland, Band 1). St. Ingbert 1997. S. 63-79.

 

-          Steinle, Brigitte: Johannes Hoffmann – ein Leben. o. O. 1990.

 

-          Stigulinszky, Roland: Aus dem Leben der Saarländer. Von Spichern bis zur kleinen Wiedervereinigung. Neunkirchen 1995.

 

-          Weidenfeld, Werner/Wessels, Wolfgang (Hrsg.): Europa von A bis Z - Taschenbuch der europäischen Integration. Bonn 2000.

 

-          Widhofer, Wolfgang: Die Eingliederung des Saarlandes in die Bundesrepublik Deutschland. (Schriften zur Rechtslehre und Politik, hrsg. von Ernst von Hippel, Band 28). Bonn 1960.

 

-          Will, Hans Peter: Die Saar und Europa. In: Klaus Altmeyer u. a. (Hrsg.): Das Saarland. Ein Beitrag zur Entwicklung des jüngsten Bundeslandes in Politik, Kultur und Wirtschaft. Saarbrücken 1958.

 

-          Wyrwa, Ulrich: Richard Nikolaus Graf Coudenhove-Kalergie (1894-1972) und die Paneuropabewegung in den zwanziger Jahren. In: Lothar Gall (Hrsg.): Historische Zeitschrift 283/1 (2006). München 2006. S. 103-122.

 

-         Ziegerhofer-Prettenthaler, Anita: Botschafter Europas. Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergie und die Paneuropa-Bewegung in den zwanziger und dreißiger Jahren. Wien 2004.

 


Johannes Gutenberg-Universität Mainz                                             02.02.06

Historisches Seminar

Hauptseminar: Die Entstehung des Landes Rheinland-Pfalz                          

Dozent: Univ.-Prof. Dr. M. Kißener

Referent: Stefan Haas

 

Rheinland-Pfalz und die Saarfrage

 

Die Entwicklung des Saargebietes von 1945-1955

 

1945:   - Association francaise de la Sarre

             - Mouvement pour la Libération de la Sarre

            --> offenes Eintreten für eine Annexion des Saarlandes durch Frankreich

 

10. Juli 1945: - Bildung der französischen Besatzungszone

                       - Abzug der amerikanischen Truppen

 

30. August 1945: - Délégation Supérieure de la Sarre (Gilbert Grandval)

 

Schaffung von Tatsachen:

 

-          die Unterstellung der Saargruben unter französische Verwaltung

-          die Errichtung einer Zollgrenze zwischen dem Saarland und Rheinland-Pfalz

-          die Einführung des Franc als Währung

-          parteiübergreifende Akzeptanz der französischen Pläne vor der dem Hintergrund der Nachkriegssituation

 

12. Februar 1946: Neues Französisches Saarkonzept:

-  Forderung nach Anerkennung der Eigentumsrechte an den Gruben

-   Einschluss des Saarlandes im französischen Zoll- und Währungssystem

-  keine zentrale Verwaltung für das Saarland

 

15. September 1946: Gemeindewahlen

Im Folgenden: Ausarbeitung einer Verfassung durch eine Verfassungskommission

5. Oktober 1947: Landtagswahl

8. November 1947: Annahme der Verfassung; Inkrafttreten: 17. Dezember

 

31. Dezember 1947: Ende der Militärregierung.

Saarland eigenständiger Staat unter dem Hohen Kommissar Grandval

 

März 1950: Saarkonventionen, Saarland assoziiertes Mitglied im Europarat

 

23. Oktober 1954: Saarstatut

„In dem Bestreben, die saarländische Wirtschaft in weitestem Umfang zu entwickeln und jeden Anlass zu Streitigkeiten in den gegenseitigen Beziehungen zu beseitigen“, regelte das Saarstatut in 14 Artikeln die künftige Stellung der Saar und ihr Verhältnis zur WEU. (-->Europäisierung)

 

23. Oktober 1955: Ablehnung des Saarstatuts beim Volksentscheid

“NEIN war positiv,

JA war negativ“.

67,7 % Wähler (bei einer Wahlbeteiligung von 97,5%) stimmten gegen das Statut.

 

1. Januar 1957: Rückgliederung des Saarlandes an Deutschland.

 

Die Rolle von Konrad Adenauer

 

Die Ziele Adenauers mit dem Saarstatut

 

-          Verbesserung der wirtschaftlichen und politischen Verhältnisse im Saarland

-          Westintegration, Vertrauen Frankreichs

 

-          23. Oktober 1954: Bochumer Rede

à starkes Plädoyer für die Annahme des Statutes

 

Nach der Abstimmungsniederlage:

 

-          Unterstützung Frankreichs im Algerienkrieg und in der Suezkrise durch BRD

-          Zustimmung zur deutschen Lösung der Saarfrage durch Frankreich

 

Bemerkenswert:

 

Doppelbödigkeit der Aussagen Adenauers; hier kann durch die nicht abgeschlossene Forschung kein Urteil gefällt werden.

 

Die Rolle von Peter Altmeier

 

„ständiger Helfer“, „verlässlichster Freund und Mitkämpfer im Nachbarland“

 

-          gutes Verhältnis zu Adenauer, bis die Saarfrage Mitte der fünfziger Jahre Differenzen zwischen beiden aufwirft

-          tritt für eine schnelle und vollständige Rückgliederung des Saarlandes ein                     ( Hintergrund: Angliederungswunsch an Rheinland-Pfalz)

-          gegen Saarstatut und Europäisierung der Saar

-          Aktionen und Reden gegen das Saarstatut

à „Altmeier vertritt eine besondere Position auf deutscher Seite, die vielleicht als einzigartig bezeichnet werden kann.“

 

-          Ziel: Mittelrheinstaat, Anschluss des Saarlandes an Rheinland-Pfalz zur räumlicher Abrundung und der „Mitgift“ halber. (-> Industrie)

--> Neugliederungsdebatten

 

Verwendete Literatur:

 

-          Frisch, Sepp: Die Saar blieb deutsch. Ein Rückblick 1680-1955. Freising 1956.

-          Klinkhammer, Otto: >>Nein<< war positiv, >>Ja<< war negativ. Die Abstimmung über das Saarstatut 1955. In: Richtig daheim waren wir nie. Entdeckungsreisen ins Saarrevier 1815-1955. (hrsg von Reinhard klimmt u. a.) S. 258-262. Bonn 1987.

-          Kraus, Albert: Die Saarfrage (1945-1955) im Spiegel der Publizistik. Die Diskussion um das Saarstatut vom 23. Oktober 1954 und sein Scheitern in der deutschen, saarländischen und französischen Presse. Saarbrücken 1988.

-          Küppers, Heinrich: Zwischen Bonn und Saarbrücken. Rheinland-pfälzische Saarpolitik 1947-1955. In: Die Saar 1945-1955. (hrsg. von Rainer Hudemann u. a.) S. 393-358. München 1992.

-          Morsey, Rudolf: Peter Altmeier. Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz. 10. Juli 1947-19. Mai 1969. In: Politiker in Rheinland-Pfalz: Unsere Ministerpräsidenten. (hrsg. von Hannes Ziegler). S. 39-53. Annweiler 2002.


Die Entwicklung des Saargebietes von 1945-1955

 

Das Trauma der Niederlage von 1940, die Frankreich vom Kriegsverlierer Deutschland zugefügt worden war, stand als beherrschendes Motiv im Hintergrund der Deutschlandpolitik Frankreichs nach 1945. Erstes Ziel der französischen Politik war es deshalb, die Bildung eines starken, zentralisierten und eines Tages möglicherweise wieder expansiven Deutschlands zu verhindern. Deutschland mussten die Instrumente seiner Machtpolitik genommen werden. Und dazu zählte auch das Industrierevier an der Saar.

Das Saarproblem wird schon im Winter 1944 / 45 aus der allgemeinen, auf Entschädigung und Sicherheit ausgerichteten französischen Deutschlandpolitik herausgelöst, wenn auch die französische Regierung sich sehr bedeckt hält und konkrete Pläne die Saar betreffend nicht publik macht. Höchstwahrscheinlich aus dem Grund heraus zu gegebener Zeit vollendete Tatsachen zu schaffen.

Zwei Organisationen, die schon vor 1935 bestehende und 1945 wieder gegründete Association francaise de la Sarre und das Mouvement puor la libération de la Sarre traten zu der Zeit offen für eine Annexion der Saar ein.

 

Nach der Bildung der französischen Besatzungszone lösten dann französische Einheiten am 10 Juli. 1945 die US-Streitkräfte ab. Der Regierungsbezirk Saarbrücken wird der Zuständigkeit des Oberpräsidiums Mittelrhein Saar entzogen, und am 30. August wird im Rahmen der Militärregierung die Délégation Supérieure de la Saare unter Oberst Gilbert Grandval errichtet.

 

In diesem Zeitraum wurden durch Frankreich auch weitere Tatsachen geschaffen, die auf eine Trennung des Saarlandes von den übrigen Besatzungszonen hinauslief. Und zwar:

 

-          die Unterstellung der Saargruben unter französische Verwaltung

-          die Errichtung einer Zollgrenze zwischen dem Saarland und Rheinland-Pfalz

-          die Einführung des Franc als Währung

 

Somit signalisiert Frankreich aber auch mit dem Verzicht der Annexion des Saarlandes, das es das problème sarrois auf eine andere Art lösen möchte: nämlich durch die Bildung eines saarländischen Kleinstaates unter französischer Oberhoheit und unter französischem Wirtschaftsprotektorat.

 

In Anbetracht des Chaos der unmittelbaren Nachkriegszeit war das ein Angebot, mit dem man leben konnte und das das Schlimmste zu verhüten schien. Etliche Menschen sahen in dieser Pariser Offerte auch die Chance, einen eigenen, unabhängigen Weg zu gehen.

 

Dadurch, dass die französische Regierung das Potsdamer Abkommen 1945, dass für die deutsche Westgrenze keine Ausnahmen zur Beschneidung der Grenzen von 1937 vorsieht, nicht unterzeichnet, behält es für den Erwerb der Saar weiter freie Hand.

 

In realistischer Einschätzung der Machtverhältnisse und der bedrohten Existenzgrundlagen der Saarbevölkerung, aber auch in Anerkennung der französischen Sicherheitsinteressen sahen sich die saarländischen Politiker zum Entgegenkommen gegenüber Frankreich bereit.

Johannes Hoffman (Exil in Rio de Janeiro) und Richard Kirn (KZ), um zwei Politiker aus unterschiedlichen Lagern zu nennen, anerkannten die deutsche Kriegsschuld, akzeptierten die Rolle des Saarlandes innerhalb der französischen Sicherheitspolitik und signalisierten Entgegenkommen in wirtschaftlichen Fragen.

Um eine befürchtete Demontage der Saarindustrie abzuwenden und die Lebensmittelversorgung der Bevölkerung sicherzustellen forderten die Sozialdemokraten gleichfalls wie die christliche Volkspartei den wirtschaftlichen Anschluss an Frankreich.

 

Im Zuge der weiteren Außenministerkonferenzen kann sich Frankreich bekanntermaßen mit seinen deutschlandpolitischen Forderungen nicht durchsetzen. Forderungen wie die Internationalisierung der Ruhr oder der Abtrennung des Rheinlandes von Deutschland finden bei den Alliierten keine Zustimmung. So musste die französische Regierung in ihren Wünschen die Saar betreffend zurück stecken und ein neues französisches Saarkonzept vorlegen.

 

Am 12. Februar 1945 brachte die französische Regierung in einer Note an die Botschafter der Alliierten  ihren Standpunkt zur Saarfrage auf folgende Formel:

Die Alliierten sollten die Eigentumsrechte an den Gruben anerkennen, sowie den Einschluss des Saarlandes in das französische Zoll- und Währungssystem. Die Saar müsse sofort und für alle Zeiten einer zentralen deutschen Verwaltung entzogen werden.

 

Natürliche stießen diese Forderungen bei den Engländern und Amerikanern auf Widerstand, doch die Formierung der Blöcke zwingen vor allem die Engländer zu Zustimmungen.

Doch standen alle getroffenen Abmachungen unter dem Vorbehalt einer späteren friedensvertraglichen Regelung.

 

Vergrößerung des Saarlandes nach Norden und Osten 1946.!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!! Darauf komme ich später noch

 

Die Militärregierung  lässt die ersten Gemeindewahlen am 15 September 1946 durchführen,

und im Zuge dessen erhält Grandval auch den Auftrag, eine Verfassungskommission einzusetzen und die erste Landtagswahl wird auf 5. Oktober festgesetzt.

Bei der Wahl erringt die Christliche Volkspartei um Johannes Hoffman mit 51,2 % der Stimmen die absolute Mehrheit. Die Verfassung wird von der gesetzgebenden Versammlung angenommen. Ein Tag nach Inkrafttreten bildet die christliche Volkspartei trotz absoluter Mehrheit das erste Koalitionskabinett gemeinsam mit der SPS.

 

Die Militärregierung endet am 31. Dezember und Grandval wird am 1. Januar 1948 Hoher Kommissar für das Saarland. Das Saarland war nun ein eigener Staat. Grandval wachte über die Saarverfassung und alle weiteren geschlossenen Abkommen.

 

Politisch wirkt sich diese Entwicklung in einem Gesetz zur Staatsangehörigkeit aus, durch das die Saarbevölkerung die deutsche Staatsangehörigkeit verliert. Weder die Bundesrepublik Deutschland noch das Ausland erkennen die saarländische Staatsangehörigkeit völkerrechtlich an.

 

Im Zuge der weiteren wirtschaftspolitischen Entwicklung kommt es zu scharfen Konflikten mit dem Hohen Kommissar und Frankreich sieht sich zu weiteren Konzessionen gezwungen. In den Saarkonventionen wird dann unter anderem festgelegt, dass die Gruben auf 50 Jahre an Frankreich verpachtet werden sollen, und weitere verwaltungstechnische Details werden geklärt.

 

Ferner sucht die saarländische Regierung nun, um ihre Autonomie weiter zu verwirklichen um Aufnahme in den Europarat. Das Saarland wird aber nur als assoziiertes Mitglied aufgenommen, da viele Staaten den jetzigen politischen Zustand immer noch als Provisorium ansehen.

Die nächste Phase in der Entwicklung der Saarfrage ist mit dem Aufbau der westeuropäischen Integration eng verbunden, da die USA und Großbritannien die BRD ins westliche Bündnissystem einbeziehen wollen.

 

Ab 1950 begann der ungelöste Status des Saargebiets die westeuropäische und atlantische Zusammenarbeit zu behindern. Frankreichs Außenminister Robert Schuman hatte, um die unter dem Zankapfel Saarland leidende deutsch-französische Verständigung in Gang zu bringen, 1952 eine Europäisierung der Saar ins Gespräch gebracht.

Das Saarstatut wurde als Teil der Pariser Verträge von 1954 zwischen dem französischen Ministerpräsidenten Pierre Mendès-France und dem deutschen Bundeskanzler Konrad Adenauer ausgehandelt und am 23. Oktober unterzeichnet.

Es sah bis zum Abschluss eines Friedensvertrages mit Deutschland die Unterstellung des Saarlandes unter einen Kommissar der Westeuropäischen Union vor.

In dem Bestreben, die saarländische Wirtschaft in weitestem Umfang zu entwickeln und jeden Anlass zu Streitigkeiten in den gegenseitigen Beziehungen zu beseitigen, regelte das Saarstaatut in 14 Artikeln die künftige Stellung der Saar und ihr Verhältnis zur WEU.

Die wesentlichen Bestimmungen des Statuts ähneln denen, die auch in früheren Vertragsentwürfen enthalten waren. Im Zeichen der Westeuropäischen Union soll das Saarland europäischen Status erhalten.

(SB Hauptstadt Europa)

 

Um die Endgültigkeit dieser Lösung zu unterstreichen, verlangte Mendès-France in diesem Zusammenhang  eine Volksabstimmung über das zwischen Deutschland und Frankreich ausgehandelte und von der Saarregierung angenommene Statut. Der französische Ministerpräsident stützte sich dabei auf Informationen, die erwarten ließen, dass dieses Referendum eine große Mehrheit für das Statut einbringen würde.

 

Aber in der Volksabstimmung am 23. Oktober 1955 bekundeten 67,7 Prozent der abstimmenden saarländischen Bürger – bei einer Beteiligung von 96,6 Prozent – mit der Ablehnung des Saarstatuts ihren Willen zur erneuten Rückkehr nach Deutschland und zur Angliederung an die Bundesrepublik Deutschland. Es herrschte ein Abstimmungswahlkampf im Vorfeld, der auch mitten durch Familien ging.

 

(wäre eigenes Referat wert, emotionaler Wahlkampf, ja und nein Sager, Plakatkrieg.

 

Noch in der Nacht nach der Wahl tritt die pro-französische Regierung um Hoffmann zurück.

 

Da der deutsch-französische Vertrag von 1954 keine Regelungen für den Fall einer Ablehnung des Saarstatuts enthielt, musste erneut verhandelt werden. Diese Verhandlungen führten zum Luxemburger Vertrag vom 27. Oktober 1956, in dem Frankreich der Rückgliederung des Saarlandes unter deutsche Hoheit zum 1. Januar 1957 zustimmte. Am 14. Dezember 1956 erklärte der saarländische Landtag den förmlichen Beitritt zum Geltungsbereich des bundesdeutschen Grundgesetzes. Durch das Gesetz über die Eingliederung des Saarlandes vom 23. Dezember 1956 wurde das Saarland am 1. Januar 1957 als zehntes Bundesland in die damalige Bundesrepublik Deutschland eingegliedert.

Der Termin für die wirtschaftliche Eingliederung des Saarlandes in die Bundesrepublik und die Einführung der D-Mark an der Saar wurde vor der Bevölkerung lange geheim gehalten und als „Tag X“ hoffnungsvoll erwartet. Erst mit dem wirtschaftlichen Anschluss am 6. Juli 1959 war die „Kleine Wiedervereinigung“ vollständig, und so endete nach 14 Jahren der saarländische Sonderweg.


Die Rolle von Konrad Adenauer

 

Die Malaise beginnt, ich zitiere aus der Adenauer Biografie von Hans Peter Schwarz, die Malaise beginnt unmittelbar nach der triumphalen Rückkehr Adenauers aus Moskau. Über Wochen hinweg bis zum Abstimmungstag am 23. Oktober 1955 ist die öffentliche Meinung vor allem auf das politische Ringen im Saarland fixiert. Dabei verrennt sich Adenauer mit seinem bedingungslosen Ja zum Saarstatut so vollständig, dass ihm sogar Kollegen aus dem Parteivorstand die Gefolgschaft verweigerten, was er wohl als offene Meuterei bezeichnete. Auch Peter Altmeier in Mainz, und sogar die Saar CDU stellten sich gegen Adenauer. Jener hatte später in seinen Erinnerungen geschrieben, er wäre schon beim Abschluss des Saarstatuts überzeugt gewesen, das die Saarländer gute Deutsche seien. Sie würden wissen wie sie stimmen müssten. Wenig später schreibt er in einem anderen Zusammenhang: Würde die Saarbevölkerung das Statut ablehnen; Nun hier lag all meine Hoffnung.“

(Doppelbödigkeit)

Doch Adenauers Zustimmung zum Saarabkommen, und schließlich seine Empfehlung zur Annahme des Statuts bei der Volksabstimmung lassen keinen Zweifel aufkommen, wo er stand. Nicht zu letzt versicherte er dem franz. Außenminister, es werde mindestens 75 % Ja Stimmen für das Statut geben.


Adenauers Ziele:


Parteiintern sowie öffentlich trat der Bundeskanzler mit einer vehementen Entschiedenheit für die Realisierung des Statuts ein.

Er sah hierin eine günstige Ausgangsbasis für eine Verbesserung der politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse im Saarland. Das Statut würde, so argumentierte er, den Saarländern die demokratischen Freiheitsrechte bringen, ihre wirtschaftliche Unabhängigkeit von Frankreich herbeiführen und damit auch einer politischen Unabhängigkeit der Saar von Frankreich den Weg bereiten. Adenauer appellierte an die Saarländer, einen nüchternen, emotionslosen und realistischen Wahlkampf zu führen. Dies war zwar typisch für sein denken, aber er unterschätzte damit die nationalen Emotionen im Wahlkampf komplett.

Und als wichtigster Grund ist das Denken des Kanzlers in ganz anderen, größeren Dimensionen zu nennen: Für ihn war die sorge um die Überwindung der deutschen Teilung wichtiger als die Saarfrage, die für ihn scheinbar nur ein untergeordnetes Problem war. Letzten Endes ging es darum, das Vertrauen Frankreichs zu erwerben, Vertragstreue zu bekunden und die öffentliche Meinung Frankreichs für Deutschland zu gewinnen. Freiheit durch Westintegration, Frieden und nationale Einheit waren seine politischen Leitlinien.

 

Doch Adenauer beschränkte sich durchaus nicht auf eine Politik hinter den Kulissen. Bereits im April 1955 gibt er mehrere Artikel in Auftrag, die das Ja der CDU zum Saarstatut deutlich unterstreichen sollen. Damit nicht genug, greift er auch persönlich in den Abstimmungskampf ein. Am 2. September hält er in Bochum anlässlich des 10 jährigen Bestehen der CDU in Westfalen eine Rede, die von allen pro deutschen Parteien als Dolchstoß empfunden wird. Unverklausuliert ruft er an dieser Stelle zum Ja zum Saarstatut auf. Wie bereits bekannt, wurde das Statut durch ein Referendum abgelehnt. Frankreich und Adenauer sind auf diese Weise blamiert. Doch schon 2 Tage nach der Abstimmung kam es zwischen Bonn und Paris zur ersten Kontaktaufnahme, in der beide Seiten einander versicherten, das trotz des Abstimmungsmalheurs die beabsichtigte enge Zusammenarbeit der Regierungen beider Länder im Interesse Europas fortgeführt werden solle. Eine endgültige Einigung erfolgte dann vor dem Hintergrund der Suez Intervention und der Algerienfrage. Adenauer unterstützte Frankreich bedingungslos. Dafür erhält er eine glatte Saarlösung.

Um den Bogen zurück zum doppeldeutigen Verhaltens Adenauers zu spannen, möchte ich noch mal Hans Peter Schwarz zitieren: dieser schreibt, vor dem Hintergrund der Feier zur Wiedereingliederung in Saarbrücken: „Stolz schreitet Adenauer in Frack und Zylinder zur großen Feier im Stadttheater Saarbrücken und findet in unübertrefflicher Ungeniertheit auch die richtigen Worte: Das ist der schönste Tag in meinem Leben.

 

Die Rolle von Peter Altmeier

 

„ständiger Helfer“, „verlässlichster Freund und Mitkämpfer im Nachbarland“

 

-          gutes Verhältnis zu Adenauer, bis die Saarfrage Mitte der fünfziger Jahre Differenzen zwischen beiden aufwirft

-          tritt für eine schnelle und vollständige Rückgliederung ( Hintergrund: Angliederungswunsch an Rheinland-Pfalz)

-          gegen Saarstatut und Europäisierung der Saar

-          publikumswirksame Aktionen und Reden gegen das Saarstatut

 

Altmeier stand, zusammen mit Jakob Kaiser (dem Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen) spätestens nach der Bochumer Rede Adenauers an der Spitze seiner Kritiker. Beide waren sich sicher, dass Frankreich sich saarpolitisch nicht auf Dauer mit einer Autonomie begnügen würde, sondern letztlich eine Annektion anstrebe, die es zu verhindern gelte.

Altmeier war der Westpolitik Adenauers stets gefolgt, er wird traditionell als kanzlertreu bezeichnet. Doch in der Saarfrage verweigerte er sich. Diese Konsequenz zog sich durch die frühen fünfziger Jahre bis zur Abstimmung über das Saarstatut. So sehr Adenauer seinen Mainzer Parteifreund auch davon zu überzeugen suchte, das die Saar zwar eine Sache von Bedeutung sei, aber doch längst nicht die wichtigste, Altmeier blieb stur bei seinem Standpunkt. Und zwar dass nicht die Saar, sondern allein Europa zu europäisieren sei.

 

Vor allem vor dem rheinland-pfälzischen Hintergrund hatte Altmeier seine Gründe:

In ihm war die Vorstellung von einem Frankreich präsent, dass sich auf Kosten Deutschlands machtpolitische Vorteile verschaffen könnte. Während 1946 in Rheinland-Pfalz die Beratungen über eine Landesverfassung einsetzen, begann zeitlich parallel die Separation von Gebieten von Gebieten, um sie dem wirtschaftlich an Frankreich gebundenen Saarland anzugliedern. So wurden die Grenzen des Saarlandes auf Kosten von Rheinland-Pfalz erheblich verändert.—und das, sehr zum Ärgernis von Altmeier, ohne vorherige Ankündigung. Seitdem hat Altmeier wohl ein gewisses bild von einem Frankreich das von machtpolitsicher Habgier und Willkür geprägt ist.

Zu weiteren Grenzkorrekturen wurde Altmeier dann nach Paris eingeladen. Doch um über Grenzfragen mit eher technischem Hintergrund zu beraten wird Altmeier von Frankreich aufs Glatteis geführt. Doch kann nur spekuliert werden, ob die Informationen, die die Saarbrücker Zeitung bekam, von französischer Seite kamen. Diese schrieb nämlich, Altmeier hab durch Teilname an der Verhandlung über Grenzfragen als erste eine offizielle Anerkennung einer staatlich autonomen Saar ausgedrückt. Unter anderem dieser Vertrauensbruch ließ ihn zu einem vehementen Nein Sager bei der Abstimmung über das Statut werden.

 

-          Ziel: Mittelrheinstaat, Anschluss des Saarlandes an Rheinland-Pfalz zur räumlicher Abrundung und der „Mitgift“ halber. (-> Industrie)

à Neugliederungsdebatten

 


Der Beginn der saarländischen Hochschulgeschichte

 

Das Hochschulwesen im Saarland etablierte und entwickelte sich nach dem Zweiten Weltkrieg äußerst schnell – acht Monate nach Kriegsende wurde bereits doziert. Wie und wo kam es zu diesem „Frühstart“ der Wissenschaft in der Nachkriegszeit, zu einer Zeit in der selbst das politische Wirken erst ganz langsam wieder ins Rollen kam? Die Keimzelle der Universität des Saarlandes, so wie wir sie heute kennen, war das Landeskrankenhaus in Homburg.[1] Dieses Krankenhaus war bereits vor dem Krieg bekannt als eine Stätte der medizinischen Fortbildung[2] und nach dem Krieg arbeitete hier auch wieder habilitiertes Personal in den folgenden sieben klinischen Abteilungen: Chirurgie, Dermatologie, Frauenheilkunde, Innere Medizin, Orthopädie, Pschychiatrie / Neurologie und Urologie. Die Größe des Krankenhauses (1100 Betten Ende 1945), das vorhandene gut ausgebildete Personal und vor allem der Umstand, dass fast alle Gebäude vom Krieg verschont blieben – diese intakte Infrastruktur machte sich die frz. Militärregierung zu Nutze und veranlasste ab dem Januar 1946, dass hier im Homburger Wald die ersten Hochschulkurse des Saarlandes angeboten wurden. Somit gab es medizinisch-klinische Fortbildungskurse für die aus Krieg und Gefangenschaft heimkehrenden saarländischen Medizinstudenten, die dann keine anderen Hochschulen im weiteren Umkreis aufsuchen mussten. Da aber die deutschen Universitäten die Anerkennung der Kurse ablehnten (obwohl sich Grandval sehr dafür einsetzte und sich bemühte, zumindest bei den anderen Universitäten der frz. Besatzungszone in Mainz, Tübingen und Freiburg für Anerkennung zu sorgen), wandte sich der Militärgouverneur des Saarlandes an den Rektor der Universität Nancy und guten Bekannten aus Zeiten der Résistance Pierre Donzelot. Der beschloss schließlich die Errichtung eines „Institut d' Études Supérieures de l'Université Nancy en territoire sarrois“. Man legte weiterhin allen saarländischen Medizinstudenten nahe, zum Studium nach Homburg zu kommen und kündigte die Abordnung von acht Professoren aus Nancy für die vorklinischen, propädeutischen Vorlesungen nach Homburg an. Mit einem Festakt eröffnet wurde dieses Institut am 8. März 1947 durch Rektor Pierre Donzelot, den frz. Erziehungsminister Marcel-Edmond Naegelen[3] Administrateur Général Emile Laffon und Militärgouverneur Gilbert Grandval. 1948 arbeiteten bereits 13 Professoren, Honorarprofessoren, mehrere Dozenten und Lehrbeauftragte in Homburg. Propädeutische Veranstaltungen wurden dem Personal entsprechend auf französisch durchgeführt, klinische Inhalte wurden den höheren Semestern dann auf deutsch vermittelt.

Es war allerdings unklar, wie lange dieses erste Hochschulinstitut unter dem Eindruck der wechselvollen Nachkriegszeit im Saarland bestehen könne und so kam es zum nächsten wesentlichen Meilenstein in der frühen saarländischen Hochschulgeschichte: Vom französisch und saarländisch besetzten Verwaltungsrat wurde, eine „richtige“ Universität im Blick habend, folgende Pariser Beschlüsse am 9. April 1948 gefasst:

 

·         Umwandlung des Homburger Instituts in eine Universität mit europäischer Ausstrahlung,

·         paritätisch besetzter Verwaltungsrat der Uni mit Saarländern und Franzosen,

·         an der Spitze des Rates ein französischer Präsident aus der Wissenschaft,

·         neben dem Fachbereich Medizin sollen Recht, Philosophie und Naturwissenschaften gelehrt werden.

 

Mit dieser Entscheidung verfolgten die Mitglieder des Verwaltungsrates nicht bloß die Einrichtung einer Hochschule im Saarland; Die neue Universität sollte gleichsam ein Bindeglied zwischen Deutschland und Frankreich sein, ganz im Sinne frz. Kultur- und Bildungspolitik, den angestrebten internationalen Charakter des Saarlandes unterstreichen und damit ganz im Zeichen der Europäisierung der Saar stehen.[4] Die angespannte Situation in der Nachkriegszeit, politische und materielle Probleme, sollten dann aber doch noch zum Hemmschuh von Forschung und Lehre werden: Es kam dadurch zu einer Verzögerung der Umsetzen der o. g. Beschlüsse. Im Mai des Jahres 1948 machten sich aber Studenten des Homburger Hochschulinstituts in Protesten Luft. Sie prangerten den ewigen Schwebezustand und die allgemeine Unsicherheit hinsichtlich abgeschlossener und noch abzuschließender Prüfungen an und pochten darauf, endlich das Gesagte auch in die Tat umzusetzen. Und unter diesem Druck begannen die Mühlen zu mahlen: Am 15. September 1948 ernannte der saarländische Hochkommissar Gilbert Grandval den Physiker Jean Barriol[5] von der Universität Nancy zum Rektor der neuen Universität des Saarlandes. Im November des Jahres 1948 begann das erste Semester und somit der Lehrbetrieb nicht nur am Standort Homburg, sondern auch in Saarbrücken mit drei weiteren Fakultäten in der ehemaligen Below-Kaserne[6] im Stadtwald – von wo der heutige Campus nicht mehr wegzudenken ist.


[1] Das Landeskrankenhaus in Homburg (ab 1922) geht aus der pfälzischen Heil- und Pflegeanstalt hervor, die es seit dem 1. Juni 1909 zur Behandlung psychisch erkrankter Menschen gab.

[2]   International anerkannte Ärzte wie der Chirurg Ferdinand Sauerbruch (bedeutend, einflussreich und umstritten zugleich) oder der Münchner Internist Franz Volhard lehrten in Homburg.

[3] Naegelen (1892-1978) war von 1946 bis 1948 frz. Bildungsminister und Mitglied der damaligen sozialistischen Partei SFIO. Als parlamentarischer Abgeordneter fungierte er von 1945-1958.

[4] Diesem Anspruch kam die Universität nach, indem sie schon in den ersten Jahren ihres Bestehens deutsch-französische Institute sowie das Europa-Institut gründete. Während auf französischer Seite die Meinung vorherrschte, dass Frankreich den Saarländern nach jahrelanger preußischer Unterjochung „den Geist“ in Form der neuen Universität zurückgebracht hätte, bezweifelte man in der saarländischen Politik anfangs stark, ob man sich die Einrichtung einer Universität finanziell überhaupt würde leisten können.

[5] Jean Barriol war ein aus der Normandie stammender Chemiker, der vom 2. Januar 1909 bis zum 3. Dezember 1989 lebte. Im Zuge der französischen Mobilmachung im Jahre 1939 wurde er als Leutnant der Artillerie eingezogen und geriet 1940 in deutsche Kriegsgefangenschaft, die er über fünf Jahre lang in mehreren Offizierslagern (Oflag) verbringen musste. Nach Kriegsende trat er 1945 eine Stelle als Lehrer am Lycée Buffon in Paris an. 1947 nahm er einen Ruf der Universität Nancy (faculté des sciences, neu eingerichteter Lehrstuhl für theoretische Chemie) an, wo er bis zu seiner Emeritierung im Jahre 1974 wirkte. An der Université de Lorraine (Metz und Nancy) gibt es heute das Institut Jean Barriol de Chimie et Physique Moléculaire et Biomoléculaire de Lorraine.

[6] Die nach dem preußischen General der Infanterie im ersten Weltkrieg und ersten Kommandierenden des XXI. Armeekorps („Saarbrücker Korps“) benannte Kaserne wurde in den Jahren 1936/37 im Zuge von Remilitarisierung und Westwallbau errichtet und ab 1938 vom MG-Bataillon 44 und einer Sanitätsstaffel bezogen. Bevor Forschung und Lehre hier Einzug hielten, wurde die Kaserne unmittelbar nach dem Krieg von der amerikanischen Besatzungsmacht als Sammellager für Displaced Persones und auch danach noch von der Besatzungsmacht Frankreich für ihre Soldaten als Caserne Verdun genutzt.

 


Bildungs- und Kulturpolitik in der frz. Besatzungszone

Johannes Gutenberg-Universität Mainz

Historisches Seminar                                                                                                                       Sommersemester 2004

Proseminar: Alliierte Besatzungspolitik in Deutschland 1944/45- 1949                                                               08.07.04

Leitung: Frank Gausmann M.A.

Referenten:  Michaela Benner und Stefan Haas

 

Bildungs- und Kulturpolitik in der französischen Zone

 

Überblick über die Strukturen der kulturellen Besatzungspolitik:

 

  • 20. Juli 1945: Ausschuss „Directives pour notre action en Allemagne“ formuliert umrisshaft die Politik in Deutschland. Sechs Leitlinien werden festgelegt:

Ø  wichtig für Kulturpolitik sind 4. Zur Wiederbelebung der Presse und des Radios und 5. Das Neuorganisieren von Schulen und Hochschulen.

  • Die Direction de l´Education Publique ist für die Bildungs- und Kulturpolitik zuständig:

Ø  Leiter ist Raymond Schmittlein

Ø  In mehrere Unterabteilungen gegliedert (z.B. Abteilung für Kunst-, Informations- oder Sportpolitik)

Motive:

 

  • Umerziehungsmaßnahme („reeducation du peuple allemand“)
  • Sicherungspolitik:

Ø  Reintegration Deutschlands in der europäischen Staatengemeinschaft, auch im kulturellen Bereich, bestes Mittel zur Kontrolle

  • Déprussianisation (Entpreußung):

Ø  Beseitigung der Junkerklasse

Ø  “deprussianisation culturelle“ (Vermittlung der Idee der Freiheit und Betonung des Individuums)

.           Prestigepolitik; Wunsch nach Anerkennung bei Alliierten

 

Kulturelle Einrichtungen:

  • französische Studienzentren (z.B. in Freiburg, Mainz, Tübingen, Trier und Speyer)

Ø  die Bibliothek des Freiburger Instituts verfügt ein Jahr nach seiner Gründung schon über 5 000 Bücher

  • Organisation von Vortragsreisen 
  • Eröffnung der Dolmetscherschule Germersheim im Januar 1947
  • Theatergruppen
  • Verlage und Medien
  • Unis Mainz, Saabrücken neu gegründet
  • Verwaltungshochschule Speyer
  • Kunstausstellungen
  • Kinobetrieb wird wieder aufgenommen

Beispiel für Bildungspolitik:

1.Schulen:

-          August 1945 Wiedereröffnung

-          Nicht genügend qualifiziertes Lehrpersonal (75% wegen Entnazifizierung entlassen)

Ø  Lehrer direkt von der Ausbildung, bzw. schon pensionierte rekrutiert.

-          Französischunterricht hat Priorität:

Ø  Grundschulen fakultativer Französischunterricht

Ø  in höheren Schulen täglich eine Stunde Französischunterricht vorgeschrieben

-          alle Lehrbücher, Filme, Atlanten, Karten, die zwischen 1933-44 herausgekommen sind, werden verboten (Sondergenehmigung für einzelne Titel):

Ø  man greift auf Bücher aus der Weimarer Zeit oder der Schweiz zurück, teilweise auch ganz ohne Lehrbücher

Ø  eigene Lehrbücher werden zu sehr niedrigem Preis herausgegeben

Ø  1948 wurden 10 Millionen Schulbücher produziert, Qualität leidet allerdings darunter (z.B. Atlas ohne Deutschlandkarte, nur französische Zone abgebildet)

-          7.8.1945 Gesamtreform der Lehrpläne durch Schmittlein


2.Universität Mainz:

-          22.Mai 1946: Mainzer Universität wieder eröffnet.

-          Die neue Universität Mainz war als Gegengewicht zu den Unis in Freiburg und Tübingen

-          Gebäude der ehemaligen Luftwaffenkaserne (Forum)

-          Evtl. polit. Funktion, da Frankreich plante das linke Rheinufer von Deutschland abzutrennen; Uni als Kern der Unabhängigkeit

-          Nicht alle Dozenten waren grundlegend entnazifiziert (!!!), da Franzosen einen akademischen Neuanfang wünschte. Sie sahen über ehemalige NS-Zugehörigkeit hinweg

-          Dez. 46: 4450 Studenten + 156 Professoren

3.Presse:

-          Leiter der Abteilung für Presse ist Camille Loutre

-          Da kein eigenes Konzept vorliegt, wird das Gesetz Nr.191 der Alliierten übernommen:

Ø  Alle Medien, die im Dritten Reich erschienen sind, werden verboten

Ø  Lizenzpflicht (meist an Personen weniger an Parteien vergeben)

Ø  Überparteiliche Zeitungen

-          Auswahl der Journalisten und Verleger:

Ø  Bewerbungsgespräche (Erfahrung im Medienbereich wichtiger als die Vergangenheit im Dritten Reich)

Ø  Bekannte und Freunde von Loutre

-          Kontrolle der Pressearbeit:

Ø  Vorzensur durch Presseoffizieren (Eingriffe durch Zensur vom jeweiligen Offizier abhängig)

Ø  Monopolstellung der Nachrichtenagenturen

Ø   Papierzuteilung

-          Trotz französischer Propaganda wird versucht den Anschein einer objektiven Presse zu wahren:

Ø  Zwischen August 1945 und April 1946 konnten 15 Zeitungen etabliert werden. Mitte Dezember lag Gesamtauflage bei 1 321 000 Stück, bis Juli 1946 ist sie auf 2 180 000 angestiegen.

 

Literatur:

  • Hudemann, Rainer, Kulturpolitik und Deutschlandpolitik. Frühe Direktiven für die französische Besatzung in Deutschland, in: Frankreichs Kulturpolitik in Deutschland 1945-50. Ein Tübinger Symposium 19. und 20. September 1985, hrsg. v. Franz Knipping, Jaques Rider, Karl J. Mayer, Tübingen 1987, S.15-33.
  • Hüser, Dietmar, Frankreichs „doppelte Deutschlandpolitik“. Dynamik aus der Defensive-Planen, Entscheiden, Umsetzen in gesellschaftlichen und wirtschaftlichen innen- und außenpolitischen Krisenzeiten 1944-1950 (Dokumente und Schriften der europäischen Akademie Otzenhausen Bd 77), Berlin 1996.
  • Ruge-Schatz, Angelika, Besatzungsmacht-Kirche-Schulpolitik. Anmerkungen zu einem Briefwechsel, in: Französische Kulturpolitik in Deutschland 1945-1949. Berichte und Dokumente, hrsg. v. Jérôme Vaillant, Konstanz 1984, S.121-140.
  • Ruge-Schatz, Angelika, Grundprobleme der Kulturpolitik in der französischen Besatzungszone, in: Die Deutschlandpolitik Frankreich und die französische Zone 1945-1949, hrsg. v. Claus Schaft, Hans-Jürgen Schröder (Veröffentlichung des Instituts für europäische Geschichte Mainz Abteilung Universalgeschichte Bd 14), Wiesbaden 1983, S.91-110.

. Defrance, Corine: Die Wiedereröffnung der Mainzer Universität. In: Mainzer Zeitschrift 98. Mainz 2002.

Referat: französische Kultur- und Bildungspolitik

 

Kulturpolitik in der frz. Besatzungszone muss in einem engen Zusammenhang mit der von den westlichen Besatzungsmächten erklärten Absicht, Deutschland umzuerziehen gesehen werden. Hier sprachen die Franzosen von einer reéducation du peuple allemend. Hauptsorge der Franzosen war die zukünftige Sicherheit vor Deutschland. Schließlich waren nach einer weitverbreiteten Ansicht bei den Franzosen die Grundeinstellung und die wesentlichen Charakterzüge eines ganzen Volkes Schuld daran, dass Hitler an die Macht kommen konnte. Deutlich divergiert hier die Ansicht zwischen den Amerikanern bzw. den Briten und den Franzosen; denn während die einen den Nationalsozialismus und das Dritte Reich (verbunden mit der Person Hitler) als einmaliges Phänomen betrachteten, waren die anderen der Meinung, das, wohl auch auf Grund der dt.- franz. Vergangenheit, dass der Nationalsozialismus die Konsequenz der deutschen Geschichte und der Kultur sei. Und darum seien auch alle Deutschen schuldig.

Ziele:

Vor allen anderen Zielen der frz. Kulturpolitik steht die Entpreußung (déprussianisation) und die Beseitigung der Junkerklasse. Das beste Mittel zur Kontrolle Deutschlands war für die Alliierten die Reintegration Deutschlands in die europ. Staatenwelt. Die Franzosen wollten durch ihre Kulturpolitik ihren Beitrag dazu leisten, auch als Basis einer zukünftigen (bzw. heutigen) Zusammenarbeit.

Nach diesen allgemeinen Zielen der französischen Kulturpolitik möchte ich kurz die verschiedenen Sektoren dieser Politik darstellen. Der Name der Abteilung Direction de l`education Publique weist schon darauf hin, das ihre Hauptaufgabe die Erziehungspolitik sein sollte. Das entspricht natürlich einer sehr gezielten Politik, die für die Demokratisierung Deutschlands auf die Jugend baute. Zwei Büros beschäftigten sich mit dem Erziehungswesen und dem Hochschulwesen; daneben gab es mehrere Unterabteilungen, z.B. Büros für Kunstpolitik und Informationspolitik (Presse, Rundfunk). Auch sollte die baldige Öffnung von sog. Instituts francais für die Verbreitung von frz. Kultur sorgen.

Am 1. August 1945 konnte Raymond Schmittlein, der Chef der Direction de l´éducation Publique mit etwa 30 Personen, jedoch noch ohne irgendwelche Direktiven, seine Arbeit aufnehmen. Jener Schmittlein sah sich in der Folgezeit als Vormund und Lehrmeister der Deutschen, und spielte bei der Eröffnung der Mainzer Uni eine wesentliche Rolle.

Allgemeine Beispiele: Schule und Universität

Die Franzosen hatten also ihre eigene Meinung über die Art und Weise der Umerziehung bei den Deutschen: Menschlichkeit und Demokratie seien lange Lernprozesse, sagten sie, die nur Erfolg hätten, wenn sie von Grund auf durchgeführt würden. Daher ist es auch verständlich, das sich ihre Erziehung in erster Linie auf Kinder und Jugendliche konzentrierte. Anders als die Amerikaner und Briten versuchten die Franzosen, in ihrer Besatzungszone das gesamte deutsche Erziehungssystem zu erneuern und dem französischen soweit anzupassen.

Auf Anweisung der frz. Militärverwaltung (Sitz in Baden-Baden) wurden die Schulen im August, die Universitäten im September des Jahres 1945 wieder eröffnet. In diesem Fall waren die Franzosen sogar schneller als die Amerikaner und die Briten. Als größte Schwierigkeit erwies sich von Anfang an, geeignetes Lehrpersonal zu finden. Fast 75% der Lehrer waren wegen ihrer Mitgliedschaft in der NSDAP oder anderer Verbindungen zu den Nazis suspendiert worden.

Das Durchschnittsalter des zur Verfügung stehenden Lehrpersonals lag zwischen 55 und 60 Jahren. Die Militärregierung überwachte die Vorgänge an den Schulen so streng wie möglich, denn die Wiedereröffnung musste in ihren Augen ein voller Erfolg werden. Am Angebot der Unterrichtsfächer änderte sich nichts Wesentliches – allerdings wurde Geschichte streng auf eventuell noch vorhandene, indirekte Nazipropaganda untersucht. Der Biologieunterricht fiel vorrübergehend ganz weg, weil es keine neutralen Texte gab. Alle Lehrbücher, Filme, Atlanten und Karten die zwischen 1933 und 1944 herausgekommen waren, wurden verboten. Und z.B. wurden in der Folgezeit Atlanten eingeführt, ohne Deutschlandkarte, nur mit einer Karte von der französischen Zone.

Neben der sicher aus patriotischen Gründen entstandenen Motivation, die Kinder so viel früh wie möglich französisch lernen zu lassen, war auch der Gedanke mit ausschlaggebend, das die Kultur eines anderen Volkes leichter zu begreifen sei, wenn man seine Sprache so früh und so gründlich wie möglich lerne.

Im Oktober 1945 öffneten die ersten Universitäten in der frz. Zone: Freiburg und Tübingen. Lernende und Lehrende mussten hier mehrere Stunden am Tag beim Wiederaufbau helfen. Auch hier unternahm die Militärverwaltung natürlich den Versuch, Lehre und Forschung überwachen zu lassen. Es bleib jedoch bei dem Versuch. 1946 gab es nur 3 Kontrolloffiziere für alle Universitäten in der frz. Zone.

Am 22.Mai 1946 wurde dann die Mainzer Universität wieder eröffnet.

Schmittlein wollte mit der Gründung der Uni einen Ausgleich dafür schaffen, das es zwischen Straßburg und Köln keine Uni gab. Hinzu kommt, das die Standorte Tübingen und Freiburg durch ihre geographische Lage die rheinische und Pfälzische Bevölkerung benachteiligten.

Im internen Briefwechsel der Militärregierung wurde die Gründung einer neuen Universität als Grundlage der Umerziehungspolitik bezeichnet. Zudem misstraute Schmittlein den Hochschulen von Tübingen und Freiburg, weil sie in seinen Augen zu stark von nationalistischem Gedankengut geprägt waren. Die neue Universität Mainz war für die Direction de l`education Publique ein Gegenmodell zu Freiburg und Tübingen.

Hinzu kommt die Möglichkeit der politischen Funktion die die Universitätsgründung gehabt haben könnte, da zu der Zeit die frz. Regierung plante, das linke Rheinufer von Deutschland abzutrennen, um den  Kern eines unabhängigen Landes zu schaffen.

Die Wahl einer neuen Universität musste von den Franzosen zwischen Neustadt, Speyer, Trier und Mainz entschieden werden. Sowohl die Tatsache, das hier bereits von 1477 bis ins 19. Jahrhundert hinein eine Universität existiert hatte, als noch mehr der besondere Vorteil der Stadt, die die Gebäude der ehemaligen Luftwaffenkaserne schnell und ohne Komplikationen für eine Universität zur Verfügung stellen konnte, sprachen schließlich für Mainz.