Kefersteinsche Papierfabrik

Die Fabrik um 1920
Die Fabrik um 1920

Papier ist eine wahre Errungenschaft im Bereich der Schreibstoffe und dabei äußerst vielseitig. Heute liegt es in den verschiedensten Sorten und Qualitäten vor und steht jedem gegen meist geringe Kosten ganz selbstverständlich zur Verfügung. Dieser Umstand war vor dem Beginn der Industrialisierung, als „ein jeder Bogen [Papier] noch zwey und dreyßig mal durch die Hand gehen“ musste, wie das Zedler-Universallexikon im Jahre 1740 den Arbeitsumfang zusammenfasste, nicht gegeben. Der in dieser Zeit stetig zunehmende Papierverbrauch konnte durch die bisherigen, vergleichsweise geringen Produktionsmengen der alten Papiermühlen nur noch unzureichend befriedigt werden. Die Gründung von neuen und größeren Papiermühlen stellte deshalb zu Anfang des 18. Jahrhunderts auch in Brandenburg-Preußen ein dringend zu lösendes Problem dar.

 

In Halle lassen sich Spuren der Papiermacherei im Stadtteil Kröllwitz verfolgen. Die Saale flussabwärts, erbaut auf einem schmalen Streifen Landes zwischen aufragenden Porphyrfelsen, begegnet man dort der industriegeschichtlich bedeutenden Kröllwitzer Papiermühle. Einen Überblick von deren Anfängen bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts gibt uns die Festschrift Bernhard Weißenborns von 1914: Zur Gründung und Errichtung der Papiermühle im so genannten „alten Lachsfang bey Giebichtenstein“ erteilte die Regierung 1714 Zacharias Kermes die Konzession. Mit dem Bau wurde schon ein Jahr später begonnen und im August 1716 schöpfte man bereits das erste Papier. 1718 verpachtete Kermes dann die Papiermühle an Johann Christian Keferstein (1686-1759), den Angehörigen einer alten Familie Colditzer Papiermüller.

 

Unter Kefersteins Leitung der Mühle ging diese am 31. Januar 1725 mit dem ganzen Inventar, der Wasserleitung, allen sonstigen zugehörigen Gebäuden samt Privilegien, frei von Schulden und Hypotheken, für 6500 Taler in den Besitz August Hermann Franckes über. Dieser kaufte sie, um die Versorgung des wachsenden Papierbedarfs der zum Waisenhaus gehörenden Buchhandlung und der damit verbundenen Druckerei zu sichern. Die Familie Keferstein blieb dennoch weiterhin Pächter und 1764 wurde der Zeitpachtvertrag in einen Erbpachtvertrag umgewandelt. Bis 1871 prägten insgesamt fünf Generationen die Geschicke der Papierfabrik Kröllwitz:
1. Johann Christian Keferstein 1718 –1749, 2. Georg Christoph Keferstein 1749 –1788, 3. Philipp Sebastian Ludwig Keferstein 1788 –1820, 4. Albrecht Ludwig Keferstein 1820 –1850, 5. Ernst Karl Luis Keferstein und 1850 –1871, Albrecht Friedrich Otto Keferstein

 

Durch die Lage unmittelbar an der Saale hatte die Papiermühle mehreren Hochwassern zu trotzen, vor allem das im Jahre 1799 brachte schwere Schädigungen des Besitzes mit sich. Auch die durch einen verheerenden Brand im Oktober 1823 bis auf ihre Mauerreste zerstörten Mühlengebäude errichtete man neu und setzte die Papierherstellung fort. 1840 begann mit dem Aufbau der ersten englischen Papiermaschine – eine zweite und dritte folgten 1843 bzw. 1853 – das Industriezeitalter der Papiermühle und damit die maschinelle Herstellung von Papier in Kröllwitz. Trotz positiver Entwicklung der Papiermühle bis Anfang der 1860er Jahre verschlechterte sich der Absatzmarkt durch eine allgemeine Überproduktion von Papier. Der einzige Weg zur Rettung des Unternehmens war die Umwandlung zur „Cröllwitzer Actien-Papier-Fabrik“ am 7. Oktober 1871.

 

Anfang des 20. Jahrhunderts begann man nach einigen ersten Versuchen um 1870 mit der Herstellung von Strohzellstoff , was durch die Verwendung des sogenannten Sulfatverfahrens zu einer hohen Belastung der Luft führte – der Volksmund nannte dies „es cröllwitzt“. 1924 nahm man zudem die Soda- und Zelluloseherstellung auf, womit, wie man bei Friedrich und Frühauf in ihrem geografi schen Exkursionsführer „Halle und sein Umland“ nachlesen kann, die Papierfabrik Kröllwitz maßgeblich dazu beitrug, Deutschland zu dieser Zeit an die zweite Stelle der Weltpapierproduktion zu führen. 1940 wurde die Papierherstellung allerdings auf Grund von Bürgerprotesten gänzlich eingestellt. Trotz mehrfacher Überlegungen und verschiedener Konzepte zur Umnutzung und Neugestaltung der heute noch vorhandenen, stark baufälligen Gebäude der einstigen Papiermühle aus den 1880er Jahren und des sie umgebenden Kefersteinschen Garten von 1850 lassen erste Schritte gegen den Verfall dieses Industriedenkmals auf sich warten.

Text von Dorin Kalkbrenner, www.kulturfalter.de